Altena. Zwischen Ernüchterung und Erleichterung: Die Schützen der Altenaer Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft (FWG) haben entschieden, ihr großes Fest im nächsten Jahr abzusagen und um ein Jahr auf 2022 zu verschieben. Damit ist die außerordentliche Generalversammlung am Sonntag (2. August) dem Vorschlag des Vorstands mit überwältigender Mehrheit gefolgt.

Eine Gegenstimme und zuvor eine Gegenrede hat es im Bungern, wo die Generalversammlung am Sonntagmorgen stattgefunden hat, gegeben.


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Ludwig Kirchhoff-Stewens aus der Kompanie Mühlendorf war ans Mikro getreten und hatte versucht, den rund 120 Schützen zu erklären, warum das Fest eigentlich doch stattfinden könne („Im nächsten Juni weiß kein Mensch mehr ‘was von Corona“); Kirchhoff-Stewens zweifelte u. a. den Umgang mit den Infektionszahlen an. Am Ende seines Beitrags empfahl aber auch er, dem Vorschlag des Vorstands zu folgen. Bis auf ihn machten das auch alle Schützen. Um 10.24 Uhr, und damit keine halbe Stunde nach Beginn der Versammlung, stellte Hauptmann Klaus Hesse fest: Das nächste Schützenfest findet erst im Jahr 2022 statt.

Erleichterung über das Ergebnis

„Ich habe es gehofft, aber natürlich nicht wissen können“, sagt Hauptmann Klaus Hesse zu dem eindeutigen Ergebnis der Abstimmung. Die Erleichterung darüber war ihm dabei anzumerken.

Zuvor hatte Hesse noch einmal die Argumente aufgezählt, die für eine Verschiebung des Festes und damit für ein Abweichen vom Drei-Jahres-Intervall sprechen, und auch erklärt, warum die Entscheidung bereits jetzt fallen müsse.

„Wenn wir im nächsten Jahr feiern würden, müssten wir das unter Auflagen machen, die wir nicht erfüllen können“, stellte Hesse heraus: Abstands- und Hygieneregeln in einem Festzelt mit 5000 Feiernden – das sei nicht machbar. Alleine die Desinfektion der (Bier-)Gläser sei nicht zu bewältigen. Und bei einer Beschränkung auf 1500 oder 2000 Gäste im Zelt verliere das Fest seinen Charakter. Das gelte auch für einen Wegfall des Kränzebindens, „das schon Ende Februar beginnt“.

Vertragsabschlüsse drängen

Weil die Verträge, etwa mit Zeltwirt Kühling, „früh unterschrieben werden müssen, müssen wir bereits jetzt entscheiden“, erklärte Hesse und appellierte: „Die Gesundheit der Schützen und aller Besucher unseres Festes müssen an erster Stelle stehen“.

Die große Einigkeit bei der Abstimmung quittierten die Schützen spontan mit Beifall. „Bleiben Sie gesund und bleiben Sie der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft gewogen“, rief Hesse den Versammelten zu. Immerhin schallte zum Schluss das gewohnte, dreifache „Pott Jost“ laut durch den Bungern.

Verkürzung ist noch offen

Ob im Laufe der nächsten Jahre der Abstand zwischen den Schützenfesten eventuell auf zwei Jahre verkürzt wird, sozusagen als Ausgleich für die jetzt beschlossene Verschiebung und den damit einhergehenden vierjährigen Abstand, ist noch offen. „Das soll die nächste ordentliche Generalversammlung im Jahr 2022 entscheiden“, kündigte Hauptmann Klaus Hesse auf Nachfrage von LOKALSTIMME.DE an. Immerhin lohnt dabei der Blick auf das Ende des Jahrzehnts: 2029 kann die Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft ihr 600-jähriges Bestehen feiern. Wenn das kein Grund für ein Fest(jahr) ist!

Geschichte mit der Gegenwart verbunden – Ein Kommentar von Carsten Menzel

Der Umgang mit Superlativen geschieht heutzutage fast inflationär. Die Entscheidung der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft, ihr Fest um ein Jahr zu verschieben und dem Gesundheitsschutz damit Vorrang vorm Feiern einzuräumen, darf dennoch historisch genannt werden. Denn: Nur ein einziges Mal sind die Altenaer Schützen seit Ende des Zweiten Weltkriegs überhaupt von ihrem Drei-Jahres-Intervall in der Festabfolge abgewichen.

„Einigkeit macht stark“: So lautet das Motto der Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft, einer Schützengesellschaft, die Menschen zusammenführen will, unabhängig von deren Herkunft, Beruf, Religion oder Weltanschauung. Diese Einigkeit haben die Schützen mit der eindeutigen Zustimmung zum Vorschlag ihres Vorstands eindrucksvoll bewiesen.

Und mit der Entscheidung führt die Gesellschaft zudem Geschichte und Gegenwart zusammen. Klaus Hesses Vor-Vorgänger als Hauptmann, sein Vater Hans-Jürgen Hesse, hat stets betont: „Schützen kommt von beschützen“. Die Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft geht auf die Bürgerschützen des 15. Jahrhundert zurück, die die Burgstadt gegen Angriffe von außen verteidigt haben. Weil die Stadt aber schon lange nicht mehr vor äußeren Feinden verteidigt werden müsse, könnten sich die Schützen auf das Feiern beschränken, so Hesse senior. Mit der weitsichtigen Entscheidung, ihr Fest und damit eine Großveranstaltung zu verschieben, um niemandem dem Risiko einer Infektion auszusetzen oder sogar den Ausbruch einer regionalen Corona-Pandemie auszulösen, haben die Schützen erkennbar eine reale Gefahr abgewendet und die Stadt, ihre Bewohner und Gäste in gewisser Weise geschützt. Auch insofern ist die Entscheidung richtig – auch wenn sie sich vielleicht falsch anfühlt. Wie häufig tröstet dabei die Perspektive: 2022 lassen es die Schützen dann richtig krachen beim Feiern. Und vielleicht lässt sich das dann auch mit einem Superlativ beschreiben: als ein Fest der Feste.

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