Altena/Hagen. Mit einer Freiheitsstrafe von neun Jahre endete am Freitagabend der Missbrauchsprozess gegen einen heute 60-jährigen Lehrer, der an einer Grundschule in Altena tätig war. Er wurde noch im Gerichtssaal festgenommen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Pädagoge zwischen 2005 und 2014 drei Schülerinnen im Alter zwischen neun und 11 Jahren in insgesamt 80 Fällen sexuell missbraucht haben soll. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst 160 Übergriffe angeklagt.


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Zum Prozessauftakt Anfang Mai war bereits abzusehen, dass dieser Fall das Gericht intensiv beschäftigen wird. Zu den angesetzten fünf Verhandlungstagen einigten sich die beteiligten Parteien damals bereits auf zwei Zusatztermine. An diesem Freitag, dem sechsten Prozesstag, machte die Kammer allerdings Überstunden und zog bis zum Urteil durch. Davor machte vor allem der Verteidiger des Mannes durch diverse Anträge auf sich aufmerksam.

Zunächst gab er zwei Auszüge aus einem Abschiedsbuch der Schüler zu den Akten, die unter anderem Nachrichten von zwei ehemaligen Schülerinnen enthielten, die ihren damaligen Lehrer nun schwer belasten. „Ich werde Sie nie vergessen“ und „Vielen Dank für die Zeit, alles Gute für die Zukunft“ haben sie damals zum Abschied an ihren Lehrer geschrieben.

Zwei Briefe, die der Verteidiger von der Familie des Angeklagten erhielt, sollten ebenfalls zu den Akten gegeben und verlesen werden, was sich im Nachhinein als große technische Herausforderung herausstellte. Die Briefe lagen nur digital vor und beim Versand der E-Mail an das Gericht verschrieb sich der Verteidiger, was zu Verzögerungen führte. Die Familie ist von der Unschuld des Ehemannes und Vaters überzeugt, spricht von einem „guten Menschen“ und beschuldigt die Medien, den Ruf der Familie ruiniert zu haben.

Anwältin Julia Kusztelak, die in dem Prozess die Opfer vertritt, musste dem widersprechen: Für das Leid der Familie seien nicht die Opfer oder andere Verfahrensbeteiligte verantwortlich. In den vergangenen Wochen hätten sich bei ihr weitere junge Frauen gemeldet, die über die Berichterstattung auf den Fall aufmerksam geworden sind und ihr gegenüber ebenfalls von Übergriffen durch den 60-Jährigen auf sich berichteten. Die Anwältin ist davon überzeugt, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist und forderte eine Haftstrafe von neun Jahren und drei Monate, wie zuvor schon der Oberstaatsanwalt.

Haftbefehl erlassen

Michael Burggräf war in seinem Plädoyer allgemein auf die Rolle eines Grundschullehrers eingegangen, der „ein gutes Fundament für die Zukunft der Schüler legen soll.“ Das Fundament des Angeklagten sei jedoch auf Sand gebaut gewesen, so Burggräf. Er sei davon überzeugt, dass der Grundschullehrer vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt hat. Weil er eine Fluchtgefahr bei dem Angeklagten sah, beendete der Oberstaatsanwalt sein Plädoyer mit den Worten: „Ich nehme Sie hiermit vorläufig fest!“

„Das geht mir hier alles viel zu einfach“, sagte der Verteidiger des Lehrers. „Zeugen sind das schlechteste Beweismittel.“ Der Anwalt war der Meinung, dass die Aussagen „keinen Erlebnisbezug“ haben und „arm an relevanten Details“ gewesen seien. Er stellte die Glaubhaftigkeit in Frage, weil die Aussagen aus seiner Sicht nicht schlüssig und nachvollziehbar wären. Abschließend forderte er einen Freispruch für seinen Mandanten und die Zurückweisung des Haftbefehls.

Diesem kam die Kammer allerdings nicht nach: Der Vorsitzende Richter der 1. Großen Jugendkammer, Jörg Weber-Schmitz, verlas nach kurzer Unterbrechung einen Haftbefehl gegen den Lehrer, der zuvor auf freiem Fuß war. Als Reaktion darauf stellte der Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer, ein letzter Versuch, seinen Mandaten vor dem Gefängnis zu bewahren. Aber auch mit diesem Antrag scheiterte er, denn ein solcher kann nur vor den „letzten Worten des Angeklagten“ gestellt werden. Zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Grundschullehrer bereits diese Gelegenheit genutzt, um noch einmal seine Unschuld zu beteuern: „Ich habe das nicht gemacht. Es tut mir leid, was ich hier gesehen habe, aber ich kann es nicht nachvollziehen. Es ist schrecklich, auch für meine Familie.“

Den Beteuerungen schenkte das Gericht aber keinen Glauben und schickte den Lehrer, der bisher bei vollem Gehalt krankgeschrieben war, ins Gefängnis. Das Gericht hielt die drei mittlerweile erwachsenen jungen Frauen für glaubhaft. An den vorherigen Prozesstagen hatten sie ausführlich den Missbrauch geschildert, den sie in ihrer Grundschulzeit ertragen mussten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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