Altena. Der Ruhrverband hat am 27. Oktober 2022 die Kläranlage Altena im Beisein des NRW-Umweltministers, Oliver Krischer, des Bürgermeisters der Stadt Altena Uwe Kober und des Vorstandsvorsitzenden des Ruhrverbands, Prof. Norbert Jardin, offiziell in Betrieb genommen.
Auf der Kläranlage Altena wird erstmals in Deutschland das Nereda®-Verfahren zur biologischen Reinigung des Abwasser eingesetzt. „In der aktuelle Lage, die den Betrieb unserer Anlagen durch hohe Energiekosten und die Knappheit an Fällmitteln enorm erschwert, ist dieses Verfahren Gold wert. Das Nereda®-Verfahren braucht rund 30% weniger Energie und kommt, durch einen biologischen Abbau des Phosphors weitgehend ohne Fällmittel aus,“ erläutert Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands.
Für die Wahl des Nereda®-Verfahrens sprachen in der vorhergehenden Variantenuntersuchung der geringere Flächenbedarf, der bedeutend geringere Energieverbrauch, der verringerter Einsatz von Fällmitteln durch vermehrte biologische Phosphorelimination, die Kosteneffizienz, sowohl in Bezug auf den Kapitalaufwand als auch auf die Betriebskosten, der verminderter Wartungsaufwand aufgrund geringer mechanischer und elektrischer Ausstattung sowie die Fähigkeit zur Einhaltung hoher Anforderungen an die Ablaufwerte. Die genannten Vorteile entstehen dadurch, dass die Mikroorganismen beim Nereda®-Verfahren nicht die sonst übliche Flockenstruktur, sondern kompakte, kugelförmige, linsengroße Granulen bilden, in denen die Abwasserreinigungsprozesse quasi gleichzeitig stattfinden.
Das NRW-Umweltministerium und die Aufsichtsbehörden haben das Pilotverfahren konstruktiv und pragmatisch begleitet. „Für einen erfolgreichen Umwelt- und Klimaschutz brauchen wir innovative Ansätze. Die Pilotanlage kann ein wichtiger Baustein für eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Abwasserbeseitigung werden, die zudem auch noch einen Beitrag zum Ressourcenschutz und zum effizienten Energieeinsatz leistet,“ sagt Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.
Aufgrund des Pilotcharakters des Projekts erfolgte die behördliche Genehmigung der Anlage zunächst befristet bis Ende 2026. Diese Phase wird durch ein umfangreiches, mit den Behörden abgestimmtes Probenahme- und Analyseprogramm begleitet. Nach erfolgreichem Abschluss der zweijährigen Monitoringphase und Erhalt der allgemeinen Betriebserlaubnis startet der Abriss des zweiten Faulbehälters, des Gasbehälters, der Gasfackel und der vorhandenen Belebungsbecken, die während der Monitoringphase vorgehalten werden müssen.
„Die Stadt Altena freut sich außerordentlich, dass ein solch innovatives Verfahren zukünftig die Abwässer der Stadt reinigt. Als Bürgermeister begrüße ich es ganz besonders, wenn der Ruhrverband neue Techniken einsetzt, um die Aufgabe der Abwasserreinigung so effizient wie möglich zu erledigen,“ sagt Bürgermeister Uwe Kober.
Eine weitere Besonderheit der neuen Kläranlage Altena ist, dass sie langfristig als sogenannte Satellitenanlage betrieben wird. Zukünftig wir die Anlage nur noch ein bis zweimal die Woche oder nach Bedarf vom Betriebspersonal angefahren. Der Ruhrverband hat dazu ein Fernbeobachtungs-, Fernwirkungs- und Fernwartungskonzept erstellt. Damit kann das Betriebspersonal zukünftig, die Prozessleitsysteme (PLS) aller Kläranlagen und der zugehörigen abwassertechnischen Anlagen (Pumpwerke, Niederschlagswasserbehandlungsanlagen) von der jeweiligen Betriebsschwerpunktkläranlage oder ggf. auch von zu Hause einsehen und fernwirken.
Das Vorhaben wird mit Mitteln in Höhe von 1.409.699,00 EUR aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert.
Hintergrundinformationen:
Lage und Einzugsgebiet der Kläranlage:
Die Kläranlage Altena liegt im Märkischen Kreis des Sauerlands direkt an der Lenne, in die die gereinigten Abwässer eingeleitet werden. An der Kläranlage angeschlossen ist das Stadtgebiet Altena und einige Ortsteile der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde.
Geschichte der Kläranlage:
Die Kläranlage Altena wurde im Jahr 1984 erstmals in Betrieb genommen.1992 erfolgte durch betriebliche Maßnahmen ein Umbau der Anlage auf eine weitergehende Nährstoffelimination. 2003 wurde die Anlage um eine maschinelle Schlammentwässerung und ein BHKW erweitert. Die Ausbaugröße betrug 35.000 Einwohnerwerte bei einem Mischwasserzufluss von 350 Litern pro Sekunde.
Veranlassung zur Sanierung/ Teilneubau der Kläranlage:
Aufgrund des Alters der Kläranlage standen vor allem im Bereich der Maschinentechnik (Rechen, Sandfang, Belüftung, Räumer) und der Elektrotechnik (Transformatoren, Niederspannungsverteilung) sowie der Bausubstanz (Betonsanierung aller Becken und Sanierung des Betriebsgebäudes) umfangreiche Reinvestitionen an, wodurch die Sanierung des Altbestands unwirtschaftlich wurde.
Ablauf der Bau- und Inbetriebnahmephase:
Am 11.11.2019 erfolgte mit dem symbolischen ersten Spatenstich der offizielle Baubeginn. Der Bauablauf wurde durch die aktuellen Krisen (Corona-Pandemie, Lieferengpässe, Preissteigerungen, Ukraine-Krieg) deutlich verzögert.
Vorphase: Abriss eines Faulbehälters. Errichtung eines neuen EMSR-Gebäude.
Bau des Maschinenhauses 1, in dem sich sowohl die elektrotechnische Versorgung der Schnecken, Rechen und des Sandfangs, als auch zwei neu errichtete Gebläse für den belüfteten Sandfang befinden.
Bauphase:
Erneuerung der drei Zulaufschnecken sowie der beiden Rechen. Bau neuer Ausgleichbecken in die vorhandenen Vorklärbecken. Errichtung der drei Nereda-Reaktoren mit einer Beckentiefe von 8,20 Meter sowie des Vordenitrifikations- und Zulaufausgleichsbecken. Bau des Maschinenhauses 2, in dem alle für den Nereda-Prozess notwendigen Aggregate wie Gebläse, Schlammpumpen, Energieversorgung etc. untergebracht sind. Zur Überschussschlammeindickung wurde ein Bandeindicker installiert. Der eingedickte Schlamm wird zwischengespeichert und in der KA Iserlohn-Letmathe der Schlammbehandlung zur Faulgasgewinnung und -verwertung zugeführt.
Ablauf der Inbetriebnahme:
Nach Abschluss der Bauarbeiten bzw. der maschinen- und elektrotechnischen Ausrüstung sämtlicher Anlagenteile erfolgte seitens des Patentinhabers, Royal Haskoning DHV, sowohl ein Factory Acceptance Test (FAT) sowie ein Site Acceptance Test (SAT). Anschließend wurden die drei Nereda-Reaktoren mit Nereda-Impfschlamm aus den Niederlanden auf einen TS-Gehalt von 6 g/l befüllt. In der Einfahrphase wurden die Nereda-Reaktoren bereits mit dem gesamten Abwasserstrom beschickt. Um sicherzustellen, dass zu jeder Zeit die Überwachungswerte eingehalten werden, wird der Ablauf der Nereda-Reaktoren zusätzlich durch die bestehenden Belebungsbecken geleitet.
Quelle: Ruhrverband