Altena. Bundesprominenz als Schützenhilfe im Kommunalwahlkampf: Die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, war am Freitag (28. August) zu Gast in Altena.
Die Bundespolitikerin war auf Einladung des Altenaer Ortsverein und deren Bürgermeisterkandidatin Katharina Hübenthal in die Burgstadt gekommen. Treffpunkt war eines der traditionellen Drahtwerke: das Unternehmen Max W. Claas am neuen Standort hoch in der Rahmede, in Grünewiese.
Beizen, ziehen, glühen: Beim Rundgang durch das Drahtwerk lernte die Grünen Spitzenpolitikerin den Dreiklang der Bearbeitung des Werkstoffs Draht kennen – und entdeckte „ganz viel Heimat“, wie Göring-Eckardt schnell feststellte: Beim Blick auf die Etiketten der zur Auslieferung bestimmten Drahtringe stellte Göring-Eckardt fest, dass das Material nach Ruhla, einer Industriestadt in Westthüringen, geht; Göring-Eckardt ist gebürtige Thüringerin.
„Brauchen im Winter kein schädliches Streusalz“
Auch sonst hörte die Grüne-Bundespolitikerin vom Unternehmenschef Bernd Falz viel, was ihr gefallen haben dürfte: Der Betrieb setzt auf Energierückgewinnung und speist damit seine Fußbodenheizung – sogar bis ins Außengelände, wo die Drahtringe lagern. „Wir brauchen im Winter kein schädliches Streusalz“, stellt Bernd Falz heraus. Aus der Rauchgasbehandlung gewinnt das Drahtwerk Energie zurück, das in der Wärmebehandlung des Drahts eingesetzt wird. Die Energieersparnis hier: „Rund 30 Prozent“, so der Unternehmenschef.
Woher kommt ihr Vormaterial, läuft die Arbeit im Drahtwerk übers Wochenende? Göring-Eckardt fragte nach, wirkte dabei wirklich interessiert und nicht gekünstelt. „Wie lange sind Sie hier schon beschäftigt?“, will sie von einem Mitarbeiter wissen, an denen der Besuchertross vorbeikommt.
Grüner Tee – aber nicht extra für die Grünen
Nach dem Rundgang bleibt noch Zeit für ein Gespräch in der Verwaltung des Drahtwerks, wo keine ratternden Maschinen die Geräuschkulisse geben. Es gibt Kaffee, Kaltgetränke, Gebäck. „Und grünen Tee“, bietet der Firmenchef der Bundespolitikerin an. „Aber doch nicht extra wegen uns?“, fragt Göring-Eckardt zurück. Nein, es gibt sogar eine ganze Teeauswahl bei Max W. Claas und die Bundespolitikerin nimmt das Angebot gerne an und fragt interessiert weiter: Gibt es Sorge um das Unternehmen durch die Corona-Pandemie?
Firmeninhaber wollte eigene Windkraftanlage kaufen
Der Produktionsrückgang während der Corona-Krise habe das Niveau der Finanzkrise 2008/2009 erreicht erfährt die Grünen-Delegation. „Aktuell fahren wir noch Kurzarbeit, aber ein bisschen zieht die Produktion wieder an“, schildert Bernd Falz die Lage und gibt der Bundespolitikerin mit auf den Weg: „Die Kurzarbeit ist ein gutes Mittel, um die Facharbeiter zu halten“. Denn: „Facharbeiter wachsen nicht auf den Bäumen und sie sind nicht einfach anzulernen“, macht Firmenchef Falz mit Blick aufs Personal deutlich. Max W. Claas und das dazugehörige Tochterunternehmen Hermann Klincke stelle „nicht die billigsten Produkte her, aber wir liefern hohe Qualität“, beschreibt Falz.
Und dann erfährt Göring-Eckardt, wie Paradox manche Prozesse laufen: Unternehmenschef Bernd Falz erzählt mit Blick auf die umstrittenen Windkraftanlagen auf dem Kohlberg zwischen Altena und Neuenrade, dass er bei der Herstellerfirma der Windräder, der Firma Enercon in Aurich, angerufen habe, weil er eine Windkraftanlage für die Energiegewinnung haben wollte und sich nach den Kosten erkundigt habe. „Nennen Sie uns einen Standort, wo Windanlagen noch gebaut werden können“, sei die Antwort bei Enercon gewesen: ein Hinweis auf die Krise der Branche.
Drahtbaum als Erinnerung an Besuch in Altena
Plötzlich kommt Hektik im munteren Gespräch zwischen Unternehmer und Bundespolitikerin auf; der Begleiter von Göring-Eckardt, die später mit dem Zug zurück in den Osten will, verweist auf die Bahnprobleme nach einem Brückeneinsturz über die Gleise bei Wuppertal und drängt zum Aufbruch. Der nächste Termin wartet noch im Rheinland und am Samstagvormittag „muss ich in Erfurt sein: als Großmutter bei der Einschulung eines Enkels“, bekennt Göring-Eckardt freimütig und trifft damit auf volles Verständnis.
Von Katharina Hübenthal gibt es für Göring-Eckardt einen Miniatur-Drahtbaum als Geschenk und Erinnerung an den Besuch in einem Drahtwerk in Altena und von Bernd Falz, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins „Freunde der Burg Altena“ eine Einladung auf die Burg und in das Deutsche Drahtmuseum.
„Will ein möglichst gutes Ergebnis erreichen“
Die Altenaer Grünen bleiben noch und es entwickelt sich ein munteres Gespräch. „Zum Unternehmertum gehört Optimismus. Aber es braucht auch verlässliche Rahmenbedingungen“, fordert Bernd Falz von den Kommunalpolitikern ein; er beklagt „lange Genehmigungsprozesse“ mit teils absurden Forderungen und dass er absehbar „eher einen Glasfaseranschluss am Privathaus in Evingsen hat, als am Drahtwerk in der Rahmede“. Von den Grünen erfährt Falz durchaus Anerkennung: „Wir wünschen uns eine Industrie, die nachhaltig denkt und plant. Sie machen das“, stellt Dominik Nierhoff, einer der Ratskandidaten der Grünen fest und Katharina Hübenthal versichert, dass sie als Bürgermeisterin, wie der Amtsinhaber, auf dem schnellen Weg am Telefon erreichbar sein werde.
Und dann dreht der Unternehmer den Spieß um, will von der Bürgermeisterkandidatin der Grünen wissen, was sie sich bei der Wahl ausrechnet. „Ich bin angetreten, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erreichen“, antwortet Katharina Hübenthal. Der einfache Satz „Ich will Bürgermeisterin werden“, kommt ihr nicht über die Lippen. Eigentlich schade. Schließlich ist doch gerade Wahlkampf – und Schützenhilfe und Rückenwind durch eine Bundespolitikerin hat es auch gerade eben gegeben.