Altena/Neuenrade/Arnsberg. Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat nach Durchführung von zwei Terminen zur mündlichen Verhandlung die Klage eines anerkannten Naturschutzverbandes gegen eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sechs Windenergieanlagen auf der Kohlberg-Giebel-Hochfläche im Stadtgebiet von Neuenrade abgewiesen.
Der im Klageverfahren beigeladene Investor beantragte im Mai 2016 bei dem Märkischen Kreis die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der vorbenannten Windenergieanlagen. Die geplanten Anlagenstandorte liegen im Landschaftsschutzgebiet „Märkischer Kreis“. Nordöstlich und nordwestlich der Standorte befinden sich ein weiteres Landschaftsschutzgebiet und ein Naturschutzgebiet; vier der Standorte liegen in einem Wasserschutzgebiet. Seit Herbst 1999 war im Flächennutzungsplan der Stadt Neuenrade eine Fläche südlich der Ortschaft Altenaffeln als Konzentrationszone für Windenergieanlagen dargestellt, die den Bereich um den Kohlberg nicht umfasste. Diese Planung änderte die Stadt Neuenrade im Herbst 2016. In einem Teilflächennutzungsplan wurde nunmehr im räumlichen Bereich der Vorhabenstandorte die Konzentrationszone „Giebel“ ausgewiesen; die bislang festgesetzte Zone nahe Altenaffeln wurde dabei aufgegeben. Im November 2016 fügte die insoweit zuständige Bezirksregierung Arnsberg zudem eine Ausnahmeregelung in die Ordnungsbehördliche Verordnung zur Festsetzung des Landschaftsschutzgebiets „Märkischer Kreis“ ein, aufgrund derer Windenergieanlagen nunmehr innerhalb der Konzentrationszone „Giebel“ grundsätzlich zulässig sind. Der Märkische Kreis nahm im Genehmigungsverfahren eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bis zum 28. Juli 2017 maßgeblichen Fassung (UVPG a.F.) vor, die er im Dezember 2016 mit dem Ergebnis abschloss, dass für das Vorhaben keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehe. Am 30. Dezember 2016 erteilte der Märkische Kreis sodann die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die sechs Anlagen.
Hiergegen hat der insoweit klagebefugte Naturschutzverband am 30. Januar 2017 Klage erhoben. Während des Klageverfahrens wiederholte der Märkische Kreis seine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls zunächst im April 2019 und später noch ein weiteres Mal im August 2019 und kam jeweils erneut zu dem Ergebnis, dass für das genehmigte Vorhaben keine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP bestanden habe.
Zur Begründung seiner Klage hat der Naturschutzverband unter Benennung einer Vielzahl von Einzelaspekten im Wesentlichen ausgeführt, die Genehmigung sei rechtswidrig, weil vor deren Erteilung eine UVP hätte durchgeführt werden müssen; zumindest sei die durchgeführte UVP-Vorprüfung fehlerhaft: Im Hinblick auf das Schutzgut „Wasser“ seien erhebliche nachteilige Auswirkungen zu erwarten, weil die Windenergieanlagen eine Trinkwasserquelle gefährdeten. Die Vorprüfung sei auch im Hinblick auf den Artenschutz fehlerhaft, weil die Kohlberg-Giebel-Hochfläche von herausragender artenschutzrechtlicher Bedeutung sei. Die Fläche liege innerhalb eines Dichtezentrums von Rotmilanen; dort seien auch zwei Nahrungshabitate des Schwarzstorches und Flugbewegungen von Kranichen registriert worden. Zudem würde die Errichtung der Windenergieanlagen eine gravierende und großräumige Verunstaltung des Landschaftsbildes verursachen und die Erholungsfunktion der Hochfläche vollständig ruinieren. Auch die zum Anschluss der Anlagen an das Stromnetz erforderliche Kabeltrasse sei bei der Vorprüfung zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Ferner weise das Teilflächennutzungsplanverfahren der Stadt Neuenrade schwerwiegende Mängel auf, da das Auswahlverfahren für die festgelegte Vorrangfläche den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept für die Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen im Gemeindegebiet nicht entsprochen habe. Da der Teilflächennutzungsplan mit der nun ausgewiesenen Vorrangzone „Giebel“ somit unwirksam sei, sei die im Herbst 2016 aufgegebene Konzentrationszone nahe Altenaffeln wieder wirksam und somit die Errichtung der Windenergieanlagen an den geplanten Standorten nicht möglich.
Das Gericht ist nach ausführlicher Erörterung einer Vielzahl dieser im Einzelnen näher konkretisierten Aspekte in der viereinhalbstündigen Sitzung vom 10. Oktober 2019 zu der Auffassung gelangt, dass die erteilte Genehmigung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Dabei hat das Gericht zunächst überprüft, ob die von der Genehmigungsbehörde durchgeführte Vorprüfung betreffend das Erfordernis der Durchführung einer UVP den Vorgaben des § 3c UVPG a.F. entspricht und das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die dabei getroffene Entscheidung, dass eine UVP vorliegend nicht erforderlich war, ist für die Kammer nachvollziehbar. Denn eine UVP ist nur durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Genehmigungsbehörde aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen haben kann. Solche hat die Kammer vorliegend jedoch nicht feststellen können und zu den einzelnen von dem Kläger monierten Punkten im Wesentlichen ausgeführt:
Das Schutzgut Wasser sei nicht beeinträchtigt, weil die Genehmigung nur Flachgründungen der Windenergieanlagen zulasse, sodass der Grundwasserspiegel gar nicht beeinträchtigt sei. Zudem enthalte die Genehmigung hinreichende Auflagen zum Gewässerschutz, etwa zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen während der Bauzeit.
Erhebliche nachteilige Beeinträchtigungen der Artenvielfalt seien auch hinsichtlich der windenergiesensiblen Vogelarten Rotmilan, Schwarzstorch, Schwarzmilan und Kranich nicht zu befürchten. Die Beurteilung des Beklagten, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen nicht zu erwarten seien, sei nachvollziehbar. Hierzu habe der Märkische Kreis zutreffend eine Vielzahl von fachlichen Stellungnahmen und Gutachten herangezogen, die die Genehmigungsentscheidung aufgrund der erneuten UVP-Vorprüfung im August 2019 stützten: Für den Rotmilan seien gefährdete Brutplätze in der Umgebung nicht auszumachen, der Schwarzstorch meide Windkraftanlagen, der Schwarzmilan komme im Genehmigungsgebiet nicht vor und hinsichtlich der Kraniche sei eine Raststätte nicht feststellbar. Die Genehmigung sehe zudem ein Gondelmonitoring nebst Abschaltszenario vor, das den Erfordernissen zum Schutz der im Einzugsbereich der Anlagen vorkommenden Fledermäuse genüge.
Die mit der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen nahezu zwangsläufig einhergehenden Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes seien bei den auf dem Kohlberg geplanten Anlagen insgesamt nicht derart gravierend, dass sie der Errichtung der Anlagen entgegenstünden. Der Märkische Kreis habe – bezogen auf einen nachvollziehbar abgegrenzten Untersuchungsraum – die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft sowie ihre Funktion für die landschaftsbezogene Erholung und die Auswirkungen der geplanten Anlagen auf diese Kriterien ohne durchgreifende Fehler ermittelt und bewertet.
Der Genehmigung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Anlagen in der Nähe eines Naturschutzgebietes und in einem beziehungsweise in der Nähe eines weiteren Landschaftsschutzgebietes lägen. Sichtbeziehungen zu den Anlagen seien weitgehend ausgeschlossen, Schallimmissionen und Schattenwurf der Anlagen hinnehmbar.
Der Genehmigungsbescheid enthalte zudem hinreichende Auflagen zum Schutz einiger im Umfeld der Vorhabenstandorte befindlicher Denkmäler, die mit dem zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe abgestimmt worden seien. Der Verlauf der von dem Kläger angesprochenen Kabeltrasse sei auch im Zeitpunkt der erneuten UVP-Vorprüfung im August 2019 noch nicht bekannt und daher nicht zu berücksichtigen gewesen.
Die Genehmigung verstoße auch nicht gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften: Für die in dem Teilflächennutzungsplan aus Herbst 2016 festgesetzte Konzentrationszone „Giebel“ liege ein rechtlich nicht zu beanstandender Ausnahmetatbestand von dem sonst im Landschaftsschutzgebiet „Märkischer Kreis“ geltenden Verbot der Errichtung von Windenergieanlagen vor. Ob der Teilflächennutzungsplan an einem baurechtlich relevanten Mangel leide, könne dahingestellt bleiben. Selbst in diesem Fall wäre die ehemalige Konzentrationszone nahe Altenaffeln planungsrechtlich nicht maßgeblich. Denn deren Ausweisung sei im Herbst 1999 nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und mithin nicht wirksam.
Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beantragt werden, über welche das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hätte.
Aktenzeichen: 8 K 710/17
Pressemitteilung: Verwaltungsgericht Arnsberg