Nachrodt-Wiblingwerde. Eine Sorge ist Birgit Tupat, Bürgermeisterin der Doppelgemeinde, los: Wer bezahlt die Kosten für den Bau der Behelfsbrücke für Fußgänger, die das Technische Hilfswerk (THW) nach der Sperrung der Lennebrücke in einer Nachtaktion über die Lenne gebaut hat? „Die Kosten übernimmt das Land“, sagt Oliver Krischer, NRW-Verkehrsminister, zu, als er am Sonntagmittag (28. Januar) am Ort des Geschehens eintrifft. Das war aber nicht die einzige und nicht die entscheidende Frage, um die es bei diesem Ortstermin ging.
Am Vorabend war der Grünen-Politiker noch der bei der Verleihung des Karnevalsordens „Wider den tierischen Ernst“ an Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther in Aachen. Tags drauf ist er in Nachrodt, zurück in der Realpolitik. Bei Menschen, die zunehmend ungeduldig auf Antworten auf ihre Fragen nach der Komplettsperrung der Lennebrücke und den Folgen warten.
Spezielle Betonrezeptur soll Risse schließen
Kann die 150 Jahre alte und schon mehr als zehn Jahren marode Lennebrücke überhaupt noch repariert werden? Die Antwort gibt Steffen Scholz, stellvertretender Leiter der Straßen-NRW-Niederlassung für Südwestfalen in Netphen bei Siegen, der ebenfalls nach Nachrodt gekommen ist. Er sagt, dass die Schäden am Fundament des mittleren Brückenpfeilers repariert werden können. Sachlich erläutert Scholz, dass beim jüngsten Hochwasser das Fundament unterspült worden ist, dass es „Ausbrüche“ und „Risse“ gibt. Und dass Straßen NRW auf eine „spezielle Betonrezeptur“ setzt, um diese Schäden zu beseitigen.
Wasserstand muss sinken
Wann werden die Reparaturarbeiten beginnen? „Im besten Fall morgen“, blickt Steffen Scholz auf den Montag (29. Januar). Der Plan ist, zunächst einen Stahlring um den kaputten Pfeiler zu legen. Danach hängt alles vom Wasserstand der Lenne ab. „Derzeit liegt der Pegel bei 1,40 Meter. Er muss auf 70 Zentimeter runter. Dann können die eigentlichen Reparaturarbeiten starten“, erläutert Scholz. Verkehrsminister Krischer hat dazu schon Kontakt mit dem Ruhrverband aufgenommen, damit möglichst wenig Wasser aus der Biggetalsperre abgegeben wird.
Wie lange wird die Instandsetzung dauern und wann wird die Brücke wieder freigegeben? Steffen Scholz rechnet mit ein bis zwei Wochen für die eigentliche Instandsetzung plus eine weitere Woche, bis der Spezialbeton ausgehärtet ist, insgesamt also mit drei Wochen, die die Brücke gesperrt und Nachrodt sowie das Lennetal verkehrstechnisch getrennt sind.
„Stehe für jedes Gespräch bereit“
Ist die Brücke dann auch wieder für den Schwerlastverkehr, also etwa für Lkw, die die heimischen Industriebetriebe ansteuern, befahrbar, will Bürgermeisterin Tupat wissen. „Die Brücke wird wieder wie vorher befahrbar sein“, sagt Steffen Scholz. Heißt: Lkw dürfen rüber, aber es bleibt beim einspurigen Verkehr mit Ampelregelung.
Was die Frage aller Fragen mit Blick auf die Brücke aufwirft: Wann kann mit dem Bau der neuen Brücke begonnen werden? Das Planfeststellungsverfahren läuft, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass nicht nur die Gemeindeverwaltung mit der Klage eines Anliegers rechnet. „Ich rechne mit dem Planfeststellungsbeschluss in diesem Jahr“, sagt dazu Landesverkehrsminister Oliver Krischer und verspricht, „alles im Rahmen der Gesetze zu tun“, um mögliche Klagen zu vermeiden. „Ich stehe für jedes Gespräch persönlich bereit“, sagt der Grünen-Politiker und die Blicke wandern hinüber auf die andere Lenneseite, in Richtung Haus Nachrodt.
Lob für das THW
Schneller fertig ist in jedem Fall die Behelfsbrücke für die Fußgänger, die THW-Ortsverbände aus ganz Nordrhein-Westfalen in einer Nachtaktion gebaut haben. „Das ist wirklich Wahnsinn, wie schnell die das hinbekommen haben“, zollt auch der Minister ganz umgangssprachlich den rund 120 Ehrenamtlichen seine Anerkennung.
Die Restarbeiten bis zur Freigabe der Pontonbrücke sollen noch am Sonntag erledigt werden. Das Ziel gibt Kreisbrandmeister Michael Kling aus: „Am Montagmorgen sollen die Schulkinder auf jeden Fall die Brücke benutzen können, um zur Schule zu kommen. Vorher gehen wir nicht nach Hause“. Die Feuerwehr der Doppelgemeinde steht dem THW zur Seite und sichert die Arbeiten auf der Lenne mit ab.
Ganzer Tross begleitet Minister-Besuch
Zum Minister-Besuch sind auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger und Ratsmitglieder aus Nachrodt-Wiblingwerde, aber auch aus Altena gekommen. Von ihnen hört Oliver Krischer den Frust über die schon lange marode Brücke, über die Vollsperrung, die beinahe vorherzusehen gewesen sei, und das so schleppende Verfahren bis zum Beginn des Bau einer Ersatzbrücke. „Wer bezahlt den volkswirtschaftlichen Schaden?“, fragt etwa Matthias Lohmann, parteiloses Mitglied im Gemeinderat, angesichts der Umwege für Arbeitnehmer und Unternehmen.
Auch diese Anmerkungen nimmt Oliver Krischer mit, und sagt zu, sie mit seiner Partei- und Ministerkollegin Mona Neubauer, Landeswirtschaftsministerin, zu besprechen. Und auch die heimischen Bundestagsabgeordneten Bettina Lugk (SPD) und Paul Ziemiak (CDU), die Landtagsabgeordneten Thorsten Schick (CDU) und Gordan Dudas (SPD) sowie Landrat Marco Voge haben den Frust der Betroffenen gehört, der für sie allerdings nicht neu ist.