Altena. „Der Patient liegt keinesfalls auf der Intensivstation“, urteilt Sparkassenvorstand Kai Hagen, um im Bild zu bleiben, über die mittelständische Wirtschaft. Denn: „Diagnose Mittelstand“ heißt die Auswertung, die der Sparkassen- und Giroverband aus seinen Geschäftskundendaten alljährlich vorlegt. Daraus leitet der märkische Sparkassenvorstand ab, dass es – um wieder in der Sprache der medizinischen Diagnose zu bleiben – den Klein- und mittelständischen Unternehmen nicht mehr ganz so glänzend geht, wie in den zurückliegenden, sehr guten Jahren.
Der Auswertung der Sparkasse liegen zwar bundesweite Zahlen zu Grunde, die sich aber „auf unsere Region übertragen lassen“, so Kai Hagen am Montag (20. Januar) bei der Vorstellung des Reports. Demnach zeigt die deutsche wie die regionale Wirtschaft insgesamt kein einheitliches Bild.
Konjunkturdelle oder schon Rezession?
Für die Industrie, und da „insbesondere die metallverarbeitende Industrie, die der Automotive-Brache zuliefert“, sagt Kai Hagen, habe sich die konjunkturelle Lage deutlich abgekühlt; davon sei die heimische Wirtschaft besonders betroffen. Der „Hype um die Elektromobilität“, deren Fahrzeuge mit deutlich weniger Bauteilen auskommen, als die Verbrennungsmotoren, bereite den Unternehmen Sorge. Ob es nur eine Konjunkturdelle ist, oder der Beginn einer Rezession, sei noch unklar. Denn: Der Sparkassen-Report greift im Wesentlichen auf die Bilanzzahlen der Unternehmen aus dem Jahr 2018 zurück. Eine Umfrage unter den Sparkassen im Sommer 2019, und damit aus jüngerer Zeit, habe Anzeichen ergeben, dass „sich die Auftragslage der Unternehmen verbessert“, sagt Kai Hagen.
„Die Wirtschaft kommt aus einem ,Goldenen Jahrzehnt‘. Jetzt setzt eine Normalisierung ein“, urteilt Ralf Neumann, Bankfachwirt und Leiter der Firmenkundenabteilung bei der Vereinigten Sparkasse im Märkischen Kreis, über die Wirtschaftslage.
„Kurzarbeit, um Kosten zu senken“
Kurzarbeit sei inzwischen „weit verbreitet“, was Sparkassen-Chef Hagen allerdings nicht als Indikator dafür sieht, dass es den Unternehmen schlecht geht. Kurzarbeit sei vielmehr „ein probates Mittel, um Kosten zu senken, ohne Mitarbeiter und damit Fachkräfte zu entlassen“. Hagen: „Die Mitarbeiter werden gebraucht, wenn die Auftragslage wieder besser wird.“ Und beim Stichwort Fachkräfte blickt Hagen voraus und prognostiziert, dass „der Fachkräftemangel zum hohen Konjunktur-Risiko werden kann“. Soll heißen: Die Mittelständler könnten in naher Zukunft nicht mehr genug (Nachwuchs-)Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt finden, um ihre Aufträge abarbeiten zu können.
Eigenkapitalquote verdoppelt
Was aus Sicht des Geldinstituts Grund zur Hoffnung gibt, einigermaßen unbeschadet aus einem Konjunktureinbruch herauszukommen: Die durchschnittliche Eigenkapitalquote des Mittelstand liege im Bundesdurchschnitt bei 40 Prozent und habe sich damit in den zurückliegenden Jahren fast verdoppelt. Das hohe Eigenkapital der Unternehmen sieht Sparkassen-Vorstand Hagen als gute Basis, „um aus eigener Kraft Einbrüche zu überstehen“. Zum Glück für die Sparkassen besteht das Eigenkapital der Firmen nicht zu 100 Prozent aus Geldern, die auf der Bank liegen – denn die Geldhäuser müssen selbst seit Jahren Strafzinsen für geparktes Geld zahlen.
Die übrigen Mitspieler im wirtschaftlichen Gesamtgefüge, der private Konsum, der Dienstleistungssektor und das Handwerk, und dort vor allem die Baubranche, präsentierten sich als Stütze der Konjunktur, stellt die heimische Sparkasse fest.
Warten aufs schnelle Internet
Schwerpunktthema der „Diagnose Mittelstand“ 2019 ist die digitale Infrastruktur und dabei vor allem der Blick auf den Breitbandausbau als Voraussetzung für schnelles Internet. Dazu heißt es von der Sparkasse: „Die verfügbare Infrastruktur in ländlichen Gemeinden entspricht bereits heute nicht mehr den tatsächlichen Anforderungen der mittelständischen Wirtschaft. 65 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen der Sparkassen im ländlichen Raum sind mit der aktuellen Versorgung mit schnellem Internet in ihrer Region nicht zufrieden.“ Und verweist auf eine Erhebung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), wonach Deutschland auf einen Glasfaser-Anteil von 2,6 Prozent an allen Festnetz-Breitbandanschlüssen komme. Zum Vergleich: Frankreich kommt auf 13,7, Schweden sogar auf 64,3 Prozent. Nur Österreich (2,3 Prozent) und Großbritannien (1,5 Prozent) schneiden schlechter ab.
Die Vereinigte Sparkasse selbst ist laut Kai Hagen „sehr zuversichtlich, die nächsten Jahre gut hinzubekommen“. Das Bankhaus sei ausreichend groß genug: „Wir können und wollen selbstständig bleiben“, so Hagen, der Fusionen mit anderen Sparkassen damit eine Absage erteilt. Die eigenen Bilanzzahlen stellt das Geldinstitut Mitte März vor.
Die Untersuchung „Diagnose Mittelstand“ ist die nach eigenen Angaben „größte systematisch auswertbare Sammlung von (anonymisierten; Anm. d. Red.) Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen mit etwa 300.000 Bilanzen, ergänzt um eine Sparkassen-Expertenumfrage“.