Altena. Als „Erdbeben in der Tourismusbranche“ bezeichnet Peter Rohe, Inhaber des Reisebüros „Holiday Land“, die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook: „Es hat immer mal Insolvenzen gegeben, aber noch nie in dieser Größenordnung“, sagt Rohe in der Rückschau: Eine Woche ist es jetzt her, dass der britische Mutterkonzern Thomas Cook Insolvenz angemeldet hat und schließlich auch die Deutschland-Tochter mit in den Pleite-Sog gerissen hat. Eine Woche, die für Rohe, ein Urgestein in der Branche, außergewöhnlich ist – und hoffentlich bleibt.
Um im Bild, das Peter Rohe bemüht, zu bleiben: Erdbeben sind extrem schwer vorherzusagen. Sie treffen meist völlig unvorbereitet. Und können mit ihren Schockwellen enorme Schäden anrichten. Tausende Reisende des insolventen Veranstalters Thomas Cook sitzen immer noch im Ausland fest. Darunter auch Kunden des Altenaer Reisebüros. Ihnen zu helfen, war und ist das oberste Ziel von Rohe und seinem Team. „Das Telefon klingelte ununterbrochen“, schaut Elke Rohe auf die vergangenen Tage zurück. „Die meisten Kunden reagieren verständnisvoll. Das hat mich echt überrascht“, berichtet Peter Rohe. Sie laden ihren Ärger nicht bei Rohe ab. Immerhin: Alle Reisen bis zum 31. Oktober 2019 sind von Thomas Cook abgesagt, auch die, die bereits bezahlt sind. Was mit Reisebuchungen und –zahlungen ab November ist, ist noch völlig offen.
Eine 40-köpfige Rohe-Reisegruppe aus Kroatien hat mit der Thomas-Cook-Tochter „Condor“ noch nach Hause fliegen können. „Und die Crew war trotz der Situation sehr freundlich“, schildert Peter Rohe. An anderer Stelle, in der Türkei, mussten Rohe und sein Team eingreifen: „Das Hotel hat unseren Kunden, die über Thomas Cook gebucht hatten, den Zutritt zum Zimmer gesperrt. Die Zutrittskarte funktionierte nicht mehr. Die Kunden sollten 1.900 Euro zahlen, um wieder in ihr Zimmer zu kommen, wo auch deren Pässe lagen“, berichtet Peter Rohe. Das Notfallmanagement aus Altena konnte helfen; Rohe verwies auf den Kundengeldabsicherer, die Zurich-Gruppe, die einspringt. Ähnlich bei einem Kunden auf Bus-Rundreise in den USA; auch hier sollte nach der Insolvenzmeldung der Rohe-Kunde die Hotelkosten selber aufbringen. Die Versicherungszusage hat auch dort geholfen. „Wer online gebucht hat, ist in solchen Fällen auf sich alleine gestellt“, weißt Rohe auf den Vorteil bei Buchungen über Reisebüros hin.
Versicherer springt ein
Am Freitag hat die Zurich-Versicherungsgruppe es sogar zur Bedingung für ihr Einspringen gemacht, dass Hoteliers vorab keine Extrazahlungen von Kunden verlangen. 55.000 Thomas-Cook-Pauschalurlauber aus Deutschland sind am Freitag noch in aller Welt unterwegs gewesen; Anfang der Woche waren es 140.000.
Ob Kunden, die ihre Reise noch nicht angetreten haben, auf (Teil-)Rückzahlungen hoffen dürfen, dazu kann Rohe noch nichts sagen. Das Altenaer Reiseunternehmen steht dabei nicht alleine: Für den Zeitraum bis September 2020 sollen bereits 660.000 Kunden bei Thomas Cook gebucht haben, heißt es in Agentur- und Medienberichten. Was mit ihren Reisen ist, ist noch völlig unklar.
„Alle Mitarbeiter im Dienst“
Auch das Altenaer Reiseunternehmen Rohe ist direkt von der Cook-Pleite betroffen: Provisionen für Buchungen sind erst einmal futsch und in der kommenden Woche sollte eine Gruppenreise – 14 Tage Mallorca – starten, bei der Rohe als Veranstalter auftritt und die über Thomas Cook läuft.
Buchungen über Thomas Cook oder eine der Tochtergesellschaften wie Neckermann-Reisen oder Öger-Tours machen am Rohe-Geschäft „einen Großteil, aber keine 50 Prozent aus“, ordnet Peter Rohe ein, der aktuell ein Phänomen beobachtet: Etwa die Hälfte der Thomas-Cook-Kunden, die ihre gebuchte Reise gar nicht erst antreten können, „möchten eine neue Reise buchen“. Deshalb: „Alle Mitarbeiter sind bei uns im Dienst, auch die, die eigentlich frei hätten“, berichtet Peter Rohe.
Schwäche des britischen Pfunds
Die „Holiday Land“-Reisebüros, zu denen auch Rohes Unternehmen in Altena und in Iserlohn-Letmathe gehört, ist ebenfalls an Thomas Cook angeschlossen, aber nicht von der Insolvenz unmittelbar betroffen: „Wir arbeiten weiter, uns gibt es weiter, die Buchungstechnik läuft weiter“, versichert Peter Rohe, der fest damit rechnet, dass Thomas Cook Deutschland, losgelöst vom britischen Mutterkonzern, eine Chance auf Fortführung nach dem Insolvenzverfahren hat. „Das Deutschland-Geschäft war immer profitabel“, ist sich der Altenaer Reiseexperte sicher; Rohe vermutet, dass nicht zuletzt der Verfall des britischen Pfunds im Zuge des ungeklärten Brexits und damit die Schwäche der britischen Währung zum Euro die Insolvenz der Konzernmutter mit ausgelöst haben. Schon mit Blick auf die Kunden hofft Rohe auf eine Fortführung von Thomas Cook Deutschland, wenn auch unter neuem Namen, denn: „Es ist nicht gut für den Wettbewerb, wenn ein großer Anbieter vom Markt verschwindet“, so Rohe.