Altena. Neue Rollenverteilung: Die Grünen sind seit der vergangenen Kommunalwahl in der Opposition im Stadtrat von Altena. Jetzt, nach einem Jahr, haben sie, wie angekündigt, an der Fraktionsspitze die Plätze getauscht – und das Duo hat sich gleich in einem Doppelinterview den Fragen der LOKALSTIMME gestellt.
Der bisherige und langjährige Fraktionsvorsitzende, Oliver Held, und seine Nachfolgerin, Judith Köster, hatten ins Rathaus eingeladen, um den Wechsel auch offiziell bekannt zu geben. Der Treffpunkt: Zimmer 8 – ein Raum für kleine Sitzungen, aber auch das Trauzimmer. Ihren Partner haben die Grünen im Altenaer Stadtrat allerdings verloren: Nach der Kommunalwahl im September 2020 suchte sich die CDU eine andere Gruppe im Rat zur Zusammenarbeit aus und tauschte die Grünen gegen die SPD.
Seit dem erleben die Grünen – obwohl die Partei mit den meisten Stimmenzugewinnen und mit sechs Sitzen im Rat vertreten – eine für sie neue und ungewohnte Situation: Sie sind in der Opposition; CDU und SPD geben im Stadtrat die Richtung vor und treffen die Entscheidungen gemeinsam – das Mitregieren ist für die Grünen vor einem Jahr zu Ende gegangen.
Wie schon länger angekündigt, hat Fraktionschef Oliver Held, der auch die Grüne Kreistagsfraktion führt, seine Aufgabe in Altena an seine bisherige Stellvertreterin, Judith Köster, abgegeben und ist jetzt deren Stellvertreter. Im Doppel-Interview mit LOKALSTIMME.DE geben Judith Köster und Oliver Held interessante Ein- und Ausblicke in ihre Arbeit für Altena.
Frage: Die Grünen haben bei der Kommunalwahl vor einem Jahr ihr bislang bestes Ergebnis in Altena erreicht – und sind doch so etwas wie ein unglücklicher Gewinner: Die CDU hat die Zusammenarbeit mit den Grünen aufgekündigt. Was überwiegt bis heute: Die Freude über das gute Wahlergebnis oder der Frust, ausgerechnet jetzt in der Opposition gelandet zu sein?
Judith Köster: Die Freude. Wir sitzen mit der größten Fraktion, die die Grünen in Altena hatten, im Rat und haben die Chance mit einem guten Team aus erfahrenen und neuen Leuten gute Politik für Altena mitzugestalten.
Oliver Held: Wir freuen uns natürlich über unser Ergebnis. Erneut haben wir im Märkischen Kreis das zweitbeste Ergebnis aller Städte und Gemeinden geholt. Opposition und Regierung sind eigentlich keine alltäglichen Begriffe, die die Arbeit im Stadtrat beschreiben. CDU und SPD arbeiten zusammen. Wir sind allerdings immer noch gespannt, welche Impulse für die Stadt sich daraus ergeben. Und unterbreiten natürlich eigene Vorschläge.
Wie überraschend kam der Wechsel der CDU hin zur SPD – oder haben die Grünen, in der Rückschau betrachtet, im Herbst vor einem Jahr in den Vorgesprächen zu hohe Forderungen gegenüber der CDU gestellt?
Judith Köster: Es hat ein Gespräch gegeben, in dem über mögliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gesprochen wurde. Anhand unseres Wahlprogramms war klar, welche Themen für uns Priorität haben und was mit uns nicht zu machen ist. Um Forderungen ging es in dem Gespräch nicht. Wie im letzten Jahr häufig zu sehen, war es ein beliebtes Modell der CDU sich mit der eher schwachen SPD zusammen zu tun anstelle von erstarkten Grünen. Von daher kam die Entscheidung für uns nicht überraschend.
Oliver Held: Die CDU stand nach dem Ausscheiden von Uwe Scholz (ehemaliger, langjähriger CDU-Fraktionschef; Anm. d. Red.) und dem Ende der Amtszeit von Dr. Hollstein (Bürgermeister 1999 – 2020; Anm. d. Red.) vor einem Neuanfang. Selbst also deutlich geschwächt hat sie sich einen schwachen Partner gesucht und in der von Querelen gezeichneten SPD gefunden. Forderungen haben wir überhaupt keine gestellt. Wir haben einmal mit der CDU gesprochen. Das war es. Sie wollte halt lieber mit der SPD. Und so ist es jetzt.
Wie groß ist der Ärger, dass nahezu alle Anliegen und Anträge der Grünen im abgelaufenen Jahr an den neuen Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat gescheitert sind?
Judith Köster: Es ist schade, dass Dinge, die aus unserer Sicht wichtig und richtig für unsere Stadt gewesen wären, abgelehnt wurden, weil sie offensichtlich von der falschen Partei gestellt wurden. Ärger ist an der Stelle aber das falsche Wort.
Oliver Held: Es stimmt, wir haben viel Zeit verloren bei der Digitalisierung der Schulen. Die Mehrheit kann dem Thema „Endgeräte für Schüler“ aber nicht auf Dauer aus dem Weg gehen. Da bin ich sicher. Unseren Antrag dazu stellen wir natürlich erneut.
An ihrer Spitze hat die Grünen-Ratsfraktionen jetzt einen Wechsel vollzogen: Judith Köster folgt auf Oliver Held. Die Grüne Bürgermeisterkandidatin Katharina Hübenthal hat hingegen so recht ihre Rolle noch nicht gefunden. Wie kann das in der weiteren Wahlzeit noch gelingen?
Judith Köster: Wir arbeiten in der Fraktion als Team zusammen. Frau Hübenthal übernimmt hier ihre eigenen Aufgaben, die sich aufgrund der Tätigkeiten häufig nicht in der Öffentlichkeit abspielen.
Oliver Held: Wir sind in der grünen Ratsfraktion ein gutes Team, in dem alle ihre Rolle gefunden haben. Frau Hübenthal hat die wichtige Aufgabe von mir übernommen, uns im Aufsichtsrat der Stadtwerke zu vertreten. Das ist nun einmal keine sehr öffentlichkeitswirksame Rolle.
Der Bau des Lenneradwegs und die Digitalisierung in den Schulen – Tablets im Klassensatz – sind nachvollziehbare Forderungen der Grünen – und fanden trotzdem keine Mehrheit. Wie lassen sich Anliegen der Grünen dennoch künftig durch- und umsetzen?
Judith Köster: Wir werden an den Themen dranbleiben und weiter für Mehrheiten hierfür streiten. Die Frage nach dem Lenneradweg – und insgesamt der Fahrradfreundlichkeit unserer Stadt – wird ein immer größeres Thema. Der Lenneradweg wurde von Herrn Dr. Hollstein bereits zur Chefsache erklärt, Herr Kober (Bürgermeister seit 2020; Anm. d. Red.) hat dieses bekräftigt. In diesem Jahr hat neben Corona die Flutkatastrophe alle erforderlichen Kräfte verständlicherweise gefordert. Ab dem nächsten Jahr sehen wir hier Herrn Kober allerdings in der Pflicht, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Bei den Tablets für Schulen gibt es aus unserer Sicht überhaupt keine Ausreden mehr, wenn unsere Schulen wettbewerbsfähig bleiben wollen. Die Mentalität, lieber nichts zu tun, als aus Angst etwas Falsches zu machen, ist aus unserer Sicht hier nicht zielführend. Beide Themen – Platz fürs Fahrrad in Altena und Digitalisierung an den Schulen – finden sich im Übrigen auch im Wahlprogramm der CDU wieder.
Oliver Held: Durch Kompetenz und Beharrlichkeit. Das werden wir weiterhin liefern.
Die zusätzliche Arbeit durch die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe vom Juli dieses Jahres haben schonungslos gezeigt, wie sehr am Personal im Rathaus in den vergangenen Jahren zusammengespart worden ist. Daran haben auch die Grünen mitgewirkt – jetzt müssen sie diese Entwicklung als Opposition kritisieren. Wie lässt sich dieser Widerspruch durchhalten?
Judith Köster: Das Zusammensparen des Personals ist etwas, was nicht aus Überzeugung, sondern aus bekannten Gründen passiert ist. Hieran haben alle Beteiligten im Rat zwangsläufig mitgewirkt. Wir gehören aber auch schon lange zu denen, die sagen, dass ein Ende erreicht ist. Aus diesem Grund wird die Personalplanung auch ein Schwerpunkt in unseren diesjährigen Haushaltsberatungen sein. Mit dem von Herrn Kober für den kommenden Haushalt angekündigten Personalentwicklungskonzept sollte es dafür eine fundierte Grundlage geben.
Oliver Held: Ich sehe hier keinen Widerspruch. Der Konsolidierungskurs der vergangenen Jahrzehnte war notwendig, um überhaupt wieder positive Jahresergebnisse zu erzielen. Es ist richtig, dass keine weiteren Einsparungen geplant werden und Neueinstellungen vorgenommen werden. Das Personalentwicklungskonzept, dass Bürgermeister Kober für November angekündigt hat, wird aufzeigen, welche Entwicklungen er für die Verwaltung im personellen Bereich vorschlägt. Wir werden es sehr genau prüfen und beraten.
Spätestens seit der Flutkatastrophe ist der Klima- und Umweltschutz auch in der breiten Öffentlichkeit in Altena als Thema angekommen. Welche Konsequenzen muss die Stadt aus Sicht der Grünen nach den Flut ziehen?
Judith Köster: Wir müssen die interkommunale Zusammenarbeit mit den Lenne-Anrainern sowie der Stadt Lüdenscheid bezüglich der Rahmede stärken und Pläne nicht nur machen, sondern auch umsetzen. Wir müssen unseren Umgang mit (unnötiger) Flächenversiegelung überdenken. Wir müssen aber auch das Thema Klima- und Umweltschutz mehr so zu den Menschen transportieren, dass jedem bewusst wird, welchen Beitrag er auch im kleinen leisten kann. Wir haben eine Klimaschutzmanagerin in Altena, die tollen Angebote macht. Auch ihrer Fachexpertise sollte mehr Gehör verschafft werden und die Angebote besser kommuniziert. Altena fahradfreundlicher zu gestalten würde im Übrigen auch schon einen Beitrag leisten.
Oliver Held: Wir müssen unsere eigenen Gebäude fit machen und Kohlendioxid einsparen, soweit es geht. Im Hinblick auf die Gefahren von Hochwasser und Starkregen braucht es auch entschlossenen Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen und dem Märkischen Kreis.
In der Stadtentwicklung stehen wichtige Entscheidungen an: Neubau der Feuerwache und eine neue Nutzung für die Industriebrachen an der Werdohler Straße und am Winkelsen sind nur zwei Stichworte. Wie sind die konkreten Vorstellungen der Grünen dazu?
Judith Köster: Die Feuerwehr muss zukunftsfähig gemacht werden, hierbei steht der ganze Rat in der Pflicht. Vor allem bei der Suche nach Grundstücken brauchen wir nun langsam Ergebnisse. Die Umgestaltung des Schwarzenstein ist eine tolle Gelegenheit für die Stadt. Ideen sind vorhanden und wurden vor kurzem vorgestellt. Nun geht es darum im Rat geschlossen dafür zu sorgen, dass es nicht nur Ideen bleiben, sondern diese auch umgesetzt werden.
Oliver Held: Der Brandschutz ist eine Hausaufgabe, die wir aus der vergangenen Wahlperiode mitgebracht haben. Wir brauchen eine leistungsfähige Feuerwache und müssen einzelne Gerätehäuser ersetzen. Auch finanziell wird dies nicht einfach und wir müssen darauf achten, dass die geplanten Kosten auch eingehalten werden. Für die Stadtentwicklung sind wichtige Impulse im Bereich Schwarzenstein und Buchholz möglich. Ohne Unterstützung durch das Land wird es allerdings nichts werden. Ich hoffe, dass Herrn Kober gelingt, Netzwerke in die Landespolitik zu knüpfen und zu aktivieren.
Die Altenaer Innenstadt mit ihren Geschäften hat durch die Beschränkungen der Corona-Pandemie weiter gelitten. Welche Akzente wollen die Grünen künftig mit Blick auf den Einzelhandel setzen?
Judith Köster: Ich persönlich glaube, dass die Politik nur die Rahmenbedingungen schaffen kann. Die durch Fördergelder angemieteten Ladenlokale oder aber unsere Forderung an den Bürgermeister, einen Aufschub für den Abbau des Geldautomaten der Sparkasse zu erwirken sind Beispiele dafür. Grundsätzlich hat aber auch der Verbraucher in der Hand wie sich eine (Innen-)Stadt entwickelt. Wenn die Dinge, die vor Ort zu bekommen sind, lieber im Internet bestellt werden, dann wird das Prinzip lokaler Einzelhandel auf Dauer nicht zu halten sein. Nur von „Windowshoppern“ auf dem Weg zum Eiscafé kann niemand leben. Wichtig ist es, das Ambiente in der Innenstadt so angenehm zu gestalten, dass es auch Spaß macht, an leeren Ladenlokalen vorbeizugehen.
Oliver Held: Das Stapel-Center ist nicht im Besitz der Stadt Altena. Die Zukunft der Innenstadtentwicklung ist aber eng mit dem Center verknüpft. Ich bin erleichtert, dass der Bürgermeister die Entwicklung des Stapels zur Chefsache erklärt hat und wünsche ihm schnelle Ergebnisse bei der Zusammenarbeit mit den Eigentümern.
Die nächste Kommunalwahl in vier Jahren wird sehr wahrscheinlich zusammen mit der Bundestagswahl stattfinden. Ist eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP als Bundesregierung eher Chance oder Risiko für das nächste Grünen-Ergebnis auf Stadtebene, wenn der Wahlgang zusammenfällt?
Judith Köster: Wir haben bisher keine Regierungskoalition und können daher nur mutmaßen, wie gut oder schlecht die Arbeit einer möglichen Regierung bei den Bürgern in den nächsten vier Jahren ankommt. Grundsätzlich haben wir in Altena aber im Vergleich zum Landes- und Bundesschnitt immer besser abgeschnitten. Ich traue dem Bürger auch bei einer gemeinsamen Wahl zu, hier zwischen Lokal- und Bundespolitik zu unterscheiden.
Oliver Held: Zusammengelegte Wahlen haben uns in Altena nie genutzt – aber auch nie geschadet. In den Jahren 1994 und 2014 hatten wir bei der zeitgleich stattfindenden Bundestagswahl jeweils deutlich schwächere Ergebnisse als bei der am gleichen Tag stattfindenden Kommunalwahl. Das spricht für unsere Arbeit in Altena und für unsere Kandidatinnen und Kandidaten.