Altena. Es ist eines der ältesten Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe in der Region: der Gasthof Spelsberg auf dem Drescheid mit seiner mehr als 150-jährigen Geschichte. Derzeit durchläuft der Familienbetrieb eine der umfangreichsten Modernisierungen der vergangenen Jahrzehnte und, durch die Corona-Auflagen angestoßen, hält die Digitalisierung Einzug: Gastronomie 4.0 auf dem Großendrescheid.
„Das ist die einfachste und beste Lösung“, sagt Kai Spelsberg, holt sein Smartphone aus der Tasche und hält es über das schwarz-weiße Muster des QR-Codes auf der Hinweiskarte, die auf allen Tischen im Restaurant des Gasthofs ausliegen. In Sekundenschnelle ist das komplette Speise- und Getränkeangebot auf das Smartphone geladen und der Gast kann auswählen. Wischen auf dem Smartphone-Bildschirm statt blättern in einer Speisekarte. Denn: Die üblichen Speisekarten sind derzeit verboten. Aus Hygienegründen. „Entweder Einweg-Speisekarten, die nach dem Gebrauch weggeworfen werden, oder eine in Folie eingeschweißte Speisekarte, die nach jedem Gebrauch desinfiziert werden muss“: Das seien die Alternativen zur digitalen Speiseauswahl, die die Corona-Auflagen der Branche derzeit vorschreiben, erklärt Kai Spelsberg. Der Familienbetrieb hat sich für die digitale Variante, die für die Gastronomie 4.0 steht, und die Einweg-Variante entschieden: Jeder Gast kann wählen wie er auswählen möchte.
„Blockhaus“ für Familienfeiern und Tagungen
Die Neuerungen beim Gasthof Spelsberg sind aber auch schon außen sichtbar. Die Ruhe der dörflichen Idylle auf der Höhe zwischen Altena und Lüdenscheid wird von Hammerschlägen unterbrochen. Ein Bautrupp setzt gerade die Randsteine am Außengelände zur neusten Erweiterung: dem Blockhaus. Ein Neubau der nichts mit Corona zu tun hat.
Das Blockhaus „bietet Platz für 35 Personen, ist ideal für Familienfeiern oder auch Tagungen“, sagt Kai Spelsberg; das Holzhaus verfügt über eine eigene Buffettheke, die passend zum und für diesen Raum gebaut worden ist. Einmal in der Woche plant Spelsberg dort einen „Burger-Abend, mit Fleisch von regionalen Anbietern“, im Winter soll es, passend zur Jahreszeit, Fondue- und Racelette-Abende geben. Als uriger Tagungsraum lässt sich das Blockhaus nutzen, weil Beamer und eine ausfahrbare Leinwand gleich mit eingebaut sind.
Fernsicht bis in Tal der Lippe bei Hamm
Mit dem Haupthaus ist das Blockhaus über die Außengastronomie auf der Terrasse verbunden. Unterhalb der Terrasse liegt das „Schäferhaus“, ein Mini-Haus „zum Event-Schlafen“, wie Kai Spelsberg berichtet: Das „Schäferhaus“ hat gerade einmal die Größe eines Bauwagens, verfügt aber über Dusche/WC, Doppelbett, Flachbildschirm und einen Mini-Kaminofen – und eine Mini-Terrasse, von der aus der Blick aus rund 480 Höhenmetern ungehindert über den nördlichen Rand des Märkischen Sauerlands bis ins Tal der Lippe bei Hamm geht.
Modernisierung des Hotels läuft an
Unmittelbar bevor steht der Start der Modernisierung beim angeschlossenen Hotel des Gasthofs – ein Vorhaben, „das geplant war, dass wir jetzt aber zeitlich vorziehen“, wie Sohn Kai und Vater Karl-Friedrich Spelsberg erklären: Sie machen sich die Auszeit durch die Corona-Auflagen zunutze. „Bis zum Beginn der Sommerferien ist alles fertig“, haben sie sich vorgenommen. Ein strammes Programm, denn: „Alle Zimmer bekommen neue Bäder, neue Möbel, neue Fenster“. Auch das Dach des Hotelgebäudes wird neu gedeckt und die Balkone erneuert. Das Hotel verfügt über zehn Zimmer, acht Doppel- und zwei Familienzimmer für vier bis fünf Personen.
Wanderreit- und E-Bike-Station
„Ich hoffe, dass Urlaub in Deutschland zu machen, weiter beliebter wird“, setzt Karl-Friedrich Spelsberg auf mehr Binnentourismus. Der Fahrradtourismus etwa habe stark zugenommen, seit es E-Bikes gibt. Ein Trend, auf den auch der Betrieb Spelsberg setzt und eine E-Bike-Ladestation hat und der zudem eine Wanderreitstation ist: Wer als Tourist hoch zu Ross kommt, kann bei einer Übernachtung auch sein Pferd im hauseigenen Stall unterstellen. Und als Außenstelle des städtischen Standesamts kann bei Spelsberg auf der Drescheider Höhe auch geheiratet – und gefeiert werden. Der Familienbetrieb hat sich rund ums Ausgehen, Feiern und Übernachten breit aufgestellt und damit zukunftstauglich gemacht.
Auch wenn das Geschäft derzeit schwierig ist. Mit der Lockerung der Einschränkungen für die Gastronomie bleiben Auswirkungen: „Durch die Abstandsregeln haben wir rund 30 Plätze in der Gaststätte weniger an den Tischen“, sagt Kai Spelsberg. Weniger Plätze bedeutet weniger Gäste und weniger Einnahmen – aber gleich hohe Ausgaben, denn Koch und Bedienung, die mit Schutzmasken ausgestattet sind, braucht es trotzdem. Dennoch: Nach fast zwei Monaten Zwangspause läuft der Betrieb bei Spelsberg wieder an. Und es wird sichtbar an der Zukunft des mehr als 150 Jahre bestehenden Betriebs gearbeitet.
Und das sagt der Dachverband Dehoga zur Branchen-Situation:
Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zeichnet derzeit in düsteres Bild über die Branche: „Ein Drittel der Betriebe sind innerhalb der nächsten Wochen in ihrer Existenz bedroht, wenn es keine Zuschüsse gibt, sondern nur Kredithilfen“, sagt Lars Martin, Geschäftsführer des Dehoga-Verbands Südwestfalen mit Sitz in Hagen im Gespräch mit LOKALSTIMME.DE. Martin rät jedem Betrieb genau nachzurechnen, ob sich eine Wiederöffnung jetzt bereits lohnt. Den Mindereinnahmen durch weniger Gäste durch die Abstandsregeln stünden gleichbleibende Personal- und Lohnkosten gegenüber.
Der Dehoga-Fachmann erwartet, dass, insbesondere bei gutem Wetter, die Gäste am ehesten wieder Biergärten und Außengastronomie aufsuchen werden. Immerhin: Die Dehoga hört aus den Reihen ihrer Mitglieder, dass die Nachfrage von Urlaubsgästen nach Übernachtungen zunehme.
Martin rechnet damit, dass es „circa ein Jahr dauern wird, bis sich die Situation der Branche wieder normalisiert hat“.