Altena. Nach 14 Jahren als Chef der Feuerwehr Altena legt Alexander Grass sein Amt nieder. Der 52-jährige Familienvater geht nicht ohne Stolz und mit großer Dankbarkeit für alles, was war. Grass hat die Entwicklung der Feuerwehr in Altena entscheidend mitgestaltet. Jetzt macht er Platz für die nächste Generation.
Sein Weg begann Anfang der 90er – eher zufällig, wie so oft im Ehrenamt. Beim Burgrock in Altena wurde Alexander Grass damals von Mitgliedern der Löschgruppe Mühlendorf angesprochen, ob er nicht Lust hätte, mit in die Feuerwehr zu kommen. Er kam – mit ein paar seiner Kumpel – geblieben ist am Ende allerdings nur er. Und aus der eigentlichen Bierlaune heraus wurde schließlich seine Berufung.
Brandschutzerziehung, Kinderfeuerwehr – Nachwuchsarbeit mit Herzblut
Sein erstes Projekt: die Brandschutzerziehung: Unterstützt von Ulrich Slatosch entwickelte Grass ein Puppentheater mit Zündi, dem Feuerteufel, und Löschi, dem Elefanten – und ging damit in die Grundschulen. Was als Einzelprojekt begann, ist heute fester Bestandteil im Lehrplan. Mittlerweile hat René Bröcker das Projekt übernommen.
Die größte Wirkung entfaltete sein Engagement aber, als Grass im Jahr 2010 die Kinderfeuerwehr gründete – eine Entscheidung, die er heute als „die beste Entscheidung ever“ bezeichnet. „Kinder sind das größte Gut, das es gibt“, sagt Grass. Und: „Wir fangen den Nachwuchs auf und halten ihn. Das ist eine richtige Nachwuchsschmiede geworden – Kinderfeuerwehr, Jugendfeuerwehr, Einsatzabteilung.“ Das wirke: Seit 2010 seien die Mitgliederzahlen der Feuerwehr Altena stabil – „eine Seltenheit in Zeiten rückläufigen Ehrenamtes“.

Alexander Grass hat seine Söhne Lukas und Felix frei entscheiden lassen, ob sie Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr werden wollen. Sohn Felix wollte. Foto: Archiv Familie Grass
„Chef der Feuerwehr, das ist kein kleiner Job“
Alexander Grass engagierte sich und arbeitete sich hoch: erst Löschgruppenführer Freiheit, dann Zugführer Innenstadt, und schließlich, auf Anregung vom damaligen Feuerwehr-Chefs Uli Moldenhauer, seinem Stellvertreter Wolf Löcker und Wachleiter Udo Winter, zum Chef der Feuerwehr. Als die Frage kam, ob er dieses Amt übernehmen wolle, habe er zunächst gezögert: „Zwei Wochen lang habe ich überlegt, mit meiner Frau und meinen Jungs gesprochen – Chef der Feuerwehr, das ist kein kleiner Job.“ Alle standen hinter ihm und: „Es ist eine sehr vertrauensvolle Aufgabe, das reizte mich“. Und dann sagte Grass zu. Eine Entscheidung, die ihn und seine Familie in den vergangenen 14 Jahren prägte.
„Das ist kein Hobby“, sagt er im Gespräch mit LOKALSTIMME. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – Verantwortung für 250 Feuerwehrleute. Grass: „Ich habe mehr mit meinem Stellvertreter telefoniert als mit meiner Frau.“ Er wollte etwas verändern, etwas bewegen, und tat das auch – immer im Team, zusammen mit Stefan Brockhaus als stellvertretender Wehrleiter. Der Fahrzeugpark wurde kontinuierlich modernisiert, die rote Schutzkleidung eingeführt, Kommunikation und Abläufe mit Rat und Verwaltung wurden verbessert. „Für mich selbst war das auch ein großer Umbruch – vom Privatsektor in den kommunalen Apparat“, verdeutlicht der selbstständige Sanitärinstallateur. „Aber ich habe immer offene Ohren in Rat und Verwaltung gefunden“, unterstreicht er die gute Zusammenarbeit.
Harte Einsätze, starke Erlebnisse
Feuerwehr sei aber nicht nur Technik und Organisation – sondern vor allem Menschlichkeit. Und die fordere. „Man lernt viel über die Menschen in dieser Stadt – ob arm oder reich. Man lernt auch viel Elend kennen.“ Vom feinen Hausherrn, der beim Löscheinsatz in seiner Wohnung meinte: „Bitte ziehen Sie Ihre Schuhe aus“. Bis zum Menschen, der sich kein Butterbrot leisten kann. Grass erlebte alles – Brandtote, Suizide, psychisch erkrankte Menschen in Notlagen.
Ein Fall, der ihn besonders bewegt hat: Ein Mann, der sich im Tunnel auf die Gleise warf. „Ich stand da, musste mit der Bahn telefonieren, Hilfe organisieren, den Zugführer betreuen – das passiert alles in der ersten Minute. Da bist du erstmal allein.“
Doch auch abseits dieser Einzelschicksale gab es für Alexander Grass Momente, die tief ins Mark gingen: Der Verlust eines Kameraden während der Flutkatastrophe 2021 zählt für ihn zu den schmerzlichsten Erfahrungen seiner Amtszeit. Ebenso erschütternd war die Erkenntnis, dass ein Mitglied der Feuerwehr für den Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Brandstraße verantwortlich war. „Mit solchen Situationen rechnet man nicht – und man wünscht sie auch niemandem“, sagt Grass. „Und es gehört eben auch dazu, den Menschen nach einem Großschaden erklären zu müssen, dass ihr Zuhause und all ihre Erinnerungen unwiederbringlich verloren sind.“ Solche Einsätze wirken nach. Deshalb war ihm der Austausch mit den Kameradinnen und Kameraden immer wichtig: Einsatznachbesprechungen, Notfallseelsorge. „Reden hilft. Erst ist die Stimmung nach solchen Erlebnissen zwar seltsam, aber dann wird es besser. Das muss raus.“
Dank aus der Bevölkerung – das bleibt
Was bleibt, ist nicht nur die Erinnerung an die ganze Arbeit – sondern auch der Zuspruch der Menschen. Anwohner, die nach Bränden Essen und Getränke zur Wache bringen. Kinder, die Bilder malen, weil „Papa gerettet wurde“. Oder einfach ein Danke an der Haustür. „Das sind die Momente, die im Herzen bleiben.“
Seinen Dank richtet Grass auch an zwei, die ihn oft begleitet haben: Michael Sonntag und Stefan Wille vom Ordnungsamt, „sie waren immer da, wenn’s drauf ankam“.
Abschied vom Chefposten – aber nicht von der Feuerwehr
Jetzt zieht sich Grass aus der ersten Reihe zurück, wird am kommenden Samstagmorgen in der Burg Holtzbrinck feierlich verabschiedet. Seinen Nachfolger Kai Spelsberg hat er gut vorbereitet: „Genauso wie ich, ist er als Assistent der Wehrleitung mitgelaufen – das passt.“
Sein Dienstgrad als Stadtbrandinspektor bleibt, aber künftig wird er „ganz normal aufs Auto steigen und mitfahren“. Keine Führungsverantwortung mehr, nur noch helfen, wo’s gebraucht wird – wie früher. Und langweilig werde ihm sicher nicht, meint Alexander Grass. Als Hauptmann bei der Friedrich-Wilhelm-Gesellschaft gibt es weiter viel zu tun – und zudem will er mit seiner Frau Katja die neu gewonnene Zeit intensiv nutzen. „Ich bin dankbar für alles. Und stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagt Alexander Grass zum Abschied.