Altena. Vor zehn Jahren stirbt ein junger Mann aus Altena im Weyhe-Park unterhalb der Burg. Der 20-Jährige ist verblutet. Bis heute sind die genauen Todesumstände unbekannt: War es ein Verbrechen?
Es ist, neben dem grauenhaften Mordfall der Bergfeld-Leiche aus dem Sommer 1997, der zweite bis heute ungelöste Todesfall in Altena: Am frühen Nachmittag des 5. September 2015, einem verregneten Samstag, finden Spaziergänger unterhalb der Burg die Leiche eines jungen Mannes. Bei dem Toten handelt es sich um Recep B. Ein junger Mann, den viele in der Stadt kannten. Entsprechend groß ist das Entsetzen, als sich die Nachricht von seinem Tod verbreitet.
Zuletzt lebend gesehen wird Recep B. am Abend vorher. In Begleitung einer mutmaßlich männlichen Person, die einen auffälligen grauen, karierten Kapuzenpullover (Hoodie) trägt. Das Duo ist gegen 22 Uhr in der Nähe der Burg Altena zu Fuß unterwegs. Die Identität dieser Person, die als Zeuge vielleicht zur Aufklärung beitragen könnte, ist bis heute unbekannt.
„Einen letzten Zeugenhinweis zu dieser Person hat es im Juni 2023 gegeben“, berichtet Staatsanwältin Miriam Polk auf unsere Nachfrage zum zehnten Jahrestag des ungelösten Falls: Leider ist aus diesem Hinweis keine heiße Spur geworden. „Der Hinweis war zu vage“, sagt Miriam Polk.

Eine Hundertschaft der Polizei durchkämmt den Weyhe-Park unterhalb der Burg Altena nach Spuren. Ein Tatwerkzeug wird nie gefunden. Foto: Lokalstimme.de/Archiv
Die Ermittlungen gelten daher als abgeschlossen, es ist kein offenes Verfahren, aber der Fall ist eben auch nicht erledigt. Sobald es neue, konkrete Ansätze gebe, werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Nur: Es gibt bislang nichts, wo die Ermittler ansetzen könnten. Zumal: Die Verletzungen, die zum Tod führten, könnte sich das Opfer auch selbst beigebracht haben, ergibt die Obduktion. „Die Wundsituation ist mit Selbsttäterschaft in Einklang zu bringen“, wie es offiziell heißt.
Passt das zum Opfer, zu Recep B. Einem jungen, türkischstämmigen Mann. Der in Altena viele Bekannte hat: Der 20-Jährige ist häufig in der Innenstadt unterwegs, verdient sich als Kellner in einer Kneipe gelegentlich ein bisschen Geld, pflegt das, was hinlänglich als westlicher Lebensstil bezeichnet wird. Und er fühlt sich zum eigenen Geschlecht hingezogen.
Recep B. stirbt in der Nacht zum 5. September; das ist der Todeszeitpunkt, den die Untersuchungen später ergeben. Unterhalb der Festung, im Weyhe-Park, der die Burg als Grünanlage umgib, liegt der leblose Körper in einem Gebüsch, ein paar Meter entfernt von einer Treppe, die in südwestlicher Richtung in die Innenstadt hinunterführt. Die Todesursache ist eindeutig: Recep B. ist verblutet: Er hat Schnittwunden am Hals.
Ein Messer oder ähnliches wird nie gefunden
Gegen die Annahme eines Selbstmords spricht bis heute die Tatsache, dass nie ein Messer oder ein scharfes Werkzeug gefunden wird, mit dem der tödliche Schnitt ausgeführt worden sein könnte. Und das, obwohl der Bereich unterhalb der Burg von einer Hundertschaft der Polizei mehrfach abgesucht wird. Überhaupt hat es die Spurensicherung nicht leicht: Es hat in der Nacht, als Recep B. stirbt, und auch am Tag danach stark geregnet. Der Boden ist aufgeweicht, Spuren im wahrsten Wortsinn verwässert.
„Recep B. war noch eine zeitlang handlungsfähig“, berichtet Staatsanwältin Miriam Polk aus den Ermittlungsakten: Er hätte also Zeit gehabt, ein Messer oder ähnliches noch wegzuwerfen, bevor er das Bewusstsein verloren hat.
Die Auswertung der Handydaten des jungen Mannes bringt die Ermittler auch nicht weiter: „Keine verwertbaren Erkenntnisse“, heißt es dazu. Merkwürdig bleibt für die Ermittler damals, dass die Familie des Opfer wenig zur Aufklärung beitragen kann.
Wer war der letzte Begleiter des Opfers?
Rätsel gibt den Ermittlern bis heute der letzte Begleiter von Recep B. auf: Obwohl die Polizei mit Fahndungsplakaten in deutscher und türkischer Sprache nach ihm sucht, meldet er sich nicht und bleibt bis heute unbekannt. Es soll ein junger Mann gewesen sein, ca. 1,80 Meter groß, bekleidet mit dunkler Hose und eben einer auffälligen hellgrauen Kapuzenjacke mit kleinkariertem Muster.
Bevor die Leiche von Recep B. schließlich zur Beisetzung nach Istanbul überführt wird, gibt es im Bungern eine Abschiedsfeier, bei der auch der damalige Bürgermeister Andreas Hollstein an „den jungen Mann, der immer freundlich gegrüßt hat“, erinnert.

An der Abschiedsfeier für Recep B., dessen Leiche nach Istanbul zur Bestattung überführt wird, nimmt auch der damalige Bürgermeister Andreas Hollstein teil. Foto: Lokalstimme.de/Archiv
Am Weg um die Burg errichten Freunde und Bekannten von Recep B. eine kleine Gedenkstätte: mit Blumen, Steinen – und seinem Trikot, das er beim Fußball spielen im Verein getragen hat. Die Gedenkstätte ist längst abgeräumt und mit ihr wahrscheinlich die Erinnerung bei vielen verblasst. Die Erinnerung an Recep B., den „Toten an der Burg“. Dessen Todesumstände bis heute ungeklärt sind.