Altena. Eine Stadt. 50 Jahre. Zwei Bürgermeister. Egal, wie diese Zahlen ins Verhältnis gesetzt werden, was dabei herauskommt ist ein Seltenheitswert. Auf Altena trifft genau dieser Wert zu: Vor 50 Jahren wurde Günter Topmann (SPD) zum ersten Mal zu Altenas Bürgermeister gewählt. Er sollte es für 29 Jahre bleiben. Sein Nachfolger, Dr. Andreas Hollstein (CDU), kommt auf 21 Jahre, wenn er jetzt Ende September abtritt. Macht zusammen: 50 Jahre.
50 Jahre. Ein halbes Jahrhundert. Zehn kommunale Wahlperioden. Und zwei Bürgermeister. Das klingt eher nach einer Hallig in der Nordsee. Mangels Auswahl. Oder nach einer Dorfgemeinde im tiefsten Oberbayern. Aber es ist Altena, die Burgstadt im Märkischen Sauerland, die für Kontinuität steht, was ihre Bürgermeister seit 1970 angeht. Am 13. September geht es bei der Kommunalwahl wieder um das höchste Amt in der Stadt.
Rückblick: Ende April 1970 wählt der Altenaer Stadtrat den damals 36-jährigen Sozialdemokraten Günter Topmann zum Bürgermeister. Ein Ehrenamt. Der Bürgermeister leitet die Ratssitzungen, repräsentiert die Stadt und achtet darauf, dass die Stadtverwaltung die Beschlüsse des Rates umsetzt; die Verwaltung führt zu dieser Zeit der Stadtdirektor.
Herausforderer scheitern reihenweise
Bis 1999, bis zur Wahl des ersten hauptamtlichen Bürgermeisters, der die Aufgabe des Stadtdirektors mit übernimmt, und zu der Topmann nicht mehr antritt, bleibt der SPD-Mann an der Spitze der Stadt. Bis dahin scheitern die Herausforderer der oppositionellen CDU reihenweise. Egal ob engagierter Katholik und Caritas-Manager (Ulrich Hins, 1979), ehemaliger Schützenkönig (Eckhard Kittendorf, 1984) oder auch eine Frau (Ingeborg Becker, 1989). Auch der jetzige Amtsinhaber Andreas Hollstein muss sich 1994, im ersten Anlauf als CDU-Spitzenkandidat, gegen Topmann geschlagen geben.
Topmann wird nach der Amtsübernahme 1970 schnell bekannt, auch über die Grenzen der Burgstadt hinaus. Nicht nur wegen seiner rhetorischen Fähigkeit und seiner Stimmgewalt: Er will, dass die Menschen ihn nicht nur hören, sondern auch verstehen. Auf Einwohnerversammlungen lässt er die Bürger/innen zu Worte kommen, geht dabei aber auch keinem Rededuell aus dem Weg.
Zeiten der Stadterneuerung
In Topmanns fast drei Jahrzehnten Amtszeit, die mit einer SPD-Dominanz im Stadtrat einhergehen, fallen wesentliche Entscheidungen zur Entwicklung der Burgstadt. Da ist die Zusammenlegung von Mädchen- und Jungengymnasium zum Burggymnasium mit dem Neubau an der Bismarkstraße. Oder der Bau der Sauerlandhalle als moderne Sportstätte. Am Nettenscheid entstehen Hochhäuser; der Ortsteil soll einmal zur Satelliten-Stadt von Altena werden. Neben dem Rathaus entsteht das Behördenparkhaus. Überhaupt: Die Verkehrsinfrastruktur wird den Anforderungen der Zeit angepasst, was zur großen Innenstadtsanierung führt.
Die Burgstadt bekommt eine Fußgängerzone
Mit dem Bau der Lenneuferstraße im Bett der Lenne Ende der 1970er-Jahre entsteht eine Parallelstrecke zu Lenne-, Kirch- und Freiheitstraße – teils enge Straßen, die sich bis dahin Fußgänger und Autofahrer teilen müssen; erst mit der Lenneuferstraße kann die Burgstadt endlich eine Fußgängerzone in der Innenstadt einrichten. Drei große Brückenneubauten gehören zum Verkehrskonzept: die Linscheid-, die Fritz-Berg- und die Pott-Jost-Brücke. Die letzten beiden ersetzen ältere Bauwerke: die Große Brücke, in Höhe Markaner, die abgerissen wird, und die Steinerne Brücke, die heute noch als reine Fußgängerbrücke dient und unter Denkmalschutz steht. Die drei neuen Brücken sind so gebaut, dass sie über die Eisenbahnstrecke führen; es gibt damit keine Bahnübergänge mehr und keine Wartezeiten und Rückstaus an geschlossenen Schranken – und die rot-weißen Barrieren waren häufig unten. Eine Situation, die unweigerlich zum Verkehrsinfarkt geführt hätte.
Stapel und Iserlohner Tor fallen dem Bagger zum Opfer
Mit der Stadtsanierung hat Altena allerdings auch wichtige, historische Gebäude und damit an Charme einer schmucken Kleinstadt verloren: Der Stapel an der Marktstraße fiel dem Neubau des Bungernzentrums zum Opfer, das Iserlohner Tor an der unteren Iserlohner Straße dem Bau der Fritz-Berg-Brücke, ganze Häuserzüge der Lindenstraße der Pott-Jost-Brücke. „Stadtsanierung = Stadtplanierung“ lautete der wütende Protest, den ein Gegner dieser Politik damals mit Sprühfarbe auf die Wand des Iserlohner Torbogens gesprayt hatte. Zeiten des Aufbruchs bleiben nie ohne Widerspruch.
Seinen Abschied aus dem Amt 1999 hat Günter Topmann nie bereut. „Ich wollte die Entscheidung, wann ich das Amt abgebe, selbst treffen“, bekräftigt Topmann jetzt im Gespräch mit LOKALSTIMME.DE und stellt dankbar fest: „Ich bin nie abgewählt worden.“
„Wollte die Meinung der Bürger kennen“
Die Aufgabe des Bürgermeisters sei „von allen politischen Ämtern das schönste gewesen“, urteilt Topmann, der auch Bundestagsabgeordneter (1976 – 1983) für den Wahlkreis Lüdenscheid/Altena und Europaparlamentarier (1984 – 1994) war: „Als Bürgermeister war man dicht an den Menschen dran“. Darum sei es ihm auch in den von ihm initiierten Bürgerversammlungen gegangen. „Ich wollte mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen, um ihre Meinung zu hören und zu kennen“, sagt Günter Topmann. Vielen Vorschlägen aus der Bürgerschaft sei die Stadtverwaltung nachgegangen. Topmann: „Die Menschen haben gewusst, dass es sich lohnt dorthin zu gehen und Vorschläge zu machen.“
Über seinen Nachfolger Andreas Hollstein sagt Topmann: „Er hat eine schwierige Aufgabe übernommen“. Und über dessen Arbeit als Bürgermeister urteilt er: „Im Grundsatz hätte ich nicht vieles anders gemacht“.
Bau der Lenneterrassen und des Burg-Aufzugs
Wenn Andreas Hollstein das Amt abgibt, kommt er auf eine Amtszeit von immerhin 21 Jahren. Mehr als zwei Jahrzehnte, am Anfang eines neuen Jahrtausends. Was Hollstein bewirkt hat, wird erst in der historischen Rückschau zu beurteilen sein. Sicher ist: Der Bau der Lenneterrassen und des Erlebnisaufzugs zur Burg haben die Attraktivität der Innenstadt deutlich erhöht; Hollsteins unerschütterliches Bekenntnis zur offenen Bürgergesellschaft haben ihm und damit der Stadt bundesweit Beachtung und Bewunderung eingebracht.
In seine Amtszeit fällt aber auch der rasante Rückgang der Einwohnerzahl mit gravierenden Folgen: Schließung des Freibads Linscheid, Schließung der Grundschulen in Evingsen und am Knerling, Aufgabe von Haus Köster Emden als Künstlertreffpunkt und Ausstellungsort, ein nie erwarteter Personalabbau im Rathaus, das Stapel-Center (Bungernzentrum) ist mit seinen Leerständen zum Sorgenkind geworden. Der Verlust des St.-Vinzenz-Krankenhauses ist nicht der Stadt anzulasten – aber auch eine indirekte Folge des Bevölkerungsschwunds.
Wer wird die Nachfolgerin oder der Nachfolger?
Es scheint, als habe Hollstein das Pech gehabt, Jahrzehnte des Rückgangs verwalten zu müssen. Was am Ende in der Erinnerung überwiegt, muss sich bei ihm noch zeigen. Genauso, ob die Nachfolgerin oder der Nachfolger es auf ähnlich lange Amtszeiten bringen, wie Hollstein und sein Vorgänger Günter Topmann. Zwei Bürgermeister, eine Stadt, 50 Jahre. Bei der Kommunalwahl in vier Wochen, am Sonntag, 13. September, und spätestens bei der Stichwahl zwei Wochen später entscheidet sich zumindest, wem die Altenaer ihre Stadt für die nächsten fünf Jahre anvertrauen.