Altena/Meschede. Der letzte Stein am First ist befestigt, die Arbeiten abgeschlossen: Die Wohnhäuser eines denkmalgeschützten Gebäudekomplexes der Altenaer Baugesellschaft (ABG) an der Ackerstraße haben eine neue Dacheindeckung mit Naturschiefer erhalten – ein außergewöhnliches Renovierungsprojekt, nicht nur wegen der Arbeiten in luftiger Höhe.
Von „Altdeutscher Deckung“ ist an diesem letzten Arbeitstag an der Ackerstraße häufig die Rede. Was zunächst vielleicht eher an eine Anleitung für das Belegen einer Obsttorte nach lange überliefertem Rezept klingt, meint etwas ganz anderes. Obwohl: Um eine Belegungsart geht es schon. Allerdings nicht eines Tortenbodens. Sondern von Dächern. Und zwar ganz speziell geformten Dächern, die die Arbeiten für die Handwerker zur Herausforderung machen.
Es geht um die Dächer der Wohnhäuser Ackerstraße 10 bis 16 am Drescheider Berg. Ein Häuserkomplex, der unter Denkmalschutz steht. Erbaut 1924, zwischen den beiden Weltkriegen, vor inzwischen fast 100 Jahren. Die zweigeschossige Wohnanlage mit einem gemeinsamen Innenhof „ist ein wichtiges Zeugnis des Siedlungsbaus in den 1920er-Jahren“, heißt es auf einer Plakette an der Häuserwand. Schon von weitem auffallend ist die gewölbte Dachkonstruktion mit ihren Rundungen. „Darunter verbergen sich Dachstühle in Zollinger-Technik: Die Latten sind in Rautenform angeordnet“, beschreibt Magnus Benkhofer, im Team der ABG für Instandhaltung und Technik zuständig. Diese Konstruktion erlaubte vor fast 100 Jahren eine materialsparende Bautechnik.
„Diese Technik beherrschen nur noch wenige Betriebe“
Auf diese gewölbte Dachform galt es jetzt, fast ein Jahrhundert später, neue Schieferplatten aufzubringen. Und „diese Technik beherrschen nur noch wenige Betriebe“, erklärt Benkhofer die Vergabe der Arbeiten an die Dachdeckermeister Ulrich Bathen und Jörg Rettler und ihr Team aus Meschede im Hochsauerland.
Wie die Dachdeckermeister kommen auch die dunklen Schieferplatten aus dem Hochsauerland: Es handelt sich um „Fredeburger Naturschiefer“ aus dem Schmallenberger Sauerland. „Kein Schieferstein ist wie der andere. Da braucht es den genauen Blick, welcher Stein wohin passt“, beschreiben Bathen und Rettler die reine Handarbeit auf den Dächern. Und das lässt sich auch erkennen: Kein Abstand zwischen den sich wie Schuppen bei einem Fisch überlappenden Schiefersteinen ist gleich. Zumal, wenn es an die Rundungen geht. Entlang der Dachgauben oder an den Kaminen scheinen die festen Schiefersteine tatsächlich sanft eine Kurve zu beschreiben. Dazu braucht es eine Handwerkstechnik, die heute nicht mehr allzu häufig gefordert wird. „Dächer mit Zollinger-Dachstühlen sind nicht alltäglich“, urteilt auch Ulrich Bathen. Schon alleine deshalb verewigen sich die Handwerker mit einem Foto und ihren Unterschriften auf der Dachfolie, bevor am First die letzten Schiefersteine angebracht werden und den Nachweis der ausführenden Handwerker für wohl lange Zeit wieder verbergen.
Nicht alltäglich sind auch die Zahlen zum Material, die Bathen und Benkhofer zu der Modernisierung, die in drei Bauabschnitte eingeteilt im Mai 2019 begann und jetzt endete, liefern: 88 Tonnen Schiefer sind verbraucht worden und 910 Kilogramm Nägel, was rund 433.000 Stück entspricht.
Fortsetzung der Modernisierung am Knerling
An örtlichen Betrieben war die Tischlerei Carsten Schmidt und das Unternehmen Gerüstbau Kremer beteiligt.
Für die Modernisierung hat die ABG einen sechsstelligen Betrag aufgewendet, allerdings auch Fördermittel aus dem Denkmalschutz bekommen. Für Magnus Benkhofer eine Investition, die sich in jedem Fall rechnet: „Eine Schiefereindeckung hält eine Generation und noch ein bisschen länger“, sagt Benkhofer, der gemeinsam mit seinem Kollegen Dirk Schmidt die Dachdecker am letzten Arbeitstag an der Ackerstraße verabschiedet.
Die ABG setzt die Dächermodernisierung demnächst an ihrem Häuserbestand am Knerling fort. Dort steht die gesamte Siedlung unter Denkmalschutz, auch dort geht es um Schieferdächer. Der Startschuss für die Modernisierung soll an der Eichendorffstraße fallen.