Altena. Kein gewöhnlicher Wochenbeginn, kein normaler Montag (19. Juli) in Altena: Nach den massiven Überschwemmungen der vergangenen Woche geht das Aus- und Aufräumen in der Stadt weiter. Und die Hilfsbereitschaft hält weiter an, die Solidarität der Menschen untereinander bleibt, auch über das Wochenende hinaus.
An so vielen Stellen im Stadtgebiet helfen sich die Menschen gegenseitig, wo es nur geht. Die Lokalstimme hat zwei dieser Orte, die Hoffnung geben, besucht – stellvertretend für so viele andere.
Da ist die Tischlerei Jeromin und Bäumer in der Nette, oberhalb des Abzweigs zum Nettenscheid. Das Unternehmen hat seine Lager- und Produktionsräume auf der Rückseite eines Gebäudes an der Westiger Straße. Zwei, drei Meter entfernt plätschert der Netter Bach an dem Haus vorbei. Jetzt, im Sommer, führt der Bach meist knöcheltief Wasser. „Wenn’s stark regnet, ist es vielleicht knietief“, sagt Peter Jeromin, einer der beiden Inhaber des Betriebs. Am vergangenen Mittwoch ist dieser Bachlauf zum reißenden Strom geworden…
Das Tischlerei-Team um Peter Jeromin und Stephan Bäumer versucht noch, das schlimmste zu verhindern. Konstruiert aus Brettern ein Schott, um das Wasser wenigstens aus dem Teil des Betriebs fernzuhalten, wo die teuren, teils CNC-gesteuerten Holzbearbeitungsmaschinen stehen.
Hang rutscht in den Netter Bach
Als auf der gegenüberliegenden Seite des Grundstücks aber ein Stück Hang in den Bach poltert und es erst eine Welle und dann einen Rückstau der Wassermassen gibt, fliegt mit einem lauten Knall die Notausgangstür aus den Angeln: „Das Wasser stieg innerhalb von Sekunden um mehr als einen Meter an“, beschreibt Peter Jeromin – die Tischler müssen die Rettungsaktion für ihre Betriebsräume aufgeben, können sich gerade noch selbst in Sicherheit bringen.
Wer am Montag auf dem Betriebsgelände steht und den Netter Bach, weitgehend zurückgezogen durch sein Bett fließen sieht, kann das Geschehen kaum glauben. Aber verschlammte und nasse Werkzeuge, auf- und durchgeweichte Kartons, vollgelaufene Maschinen erzählen davon, was passiert ist. Eine erwachsene Person hätte kaum noch den Kopf über Wasser gehabt – das zeigt die braune Linie, die sich an der hellen Wand der Betriebsräume abzeichnet.
Froh und dankbar ist Peter Jeromin um jede helfende Hand – und davon gibt’s zum Glück viele. „Familie, Freunde, Bekannte, Angehörige der Angestellten – alle helfen mit“ – Peter Jeromin ist der Dank in der Stimme regelrecht anzuhören. Zumal: Seine Frau arbeitet in einem Steuerberatungsbüro in Halver – das Büro hat am Montag die Angestellten nach Altena in die Nette geschickt, zum Helfen. Mehr als eine Geste – das ist handfeste Hilfe.
Alle Maschinen auseinandergebaut
Der Schlamm ist am Montagnachmittag weitgehend abgesaugt; im ehemaligen Lager läuft bereits ein Trocknungsgerät. Die Räume, in denen das Wasser alles durcheinander gespült und aufgetrieben hatte, sind weitgehend ausgeräumt. Draußen – zum Glück ist es trocken – auf dem Betriebshof putzen und säubern etliche Helferinnen und Helfer alles, was in der Flut schmutzig und nass geworden ist, wird sortiert, was noch zu retten ist und was auf den Müll muss.
In den Betriebsräumen werden die großen Maschinen auseinandergenommen und in Einzelteile zerlegt – zum Trocknen. Den entstandenen Sachschaden schätzt Peter Jeromin vorsichtig auf einen „sechsstelligen Betrag – und da steht keine 1 vorne“. Ohne die vom Land zugesagten Fluthilfen sei die Situation für den Betrieb mit seinen zusammen sieben Beschäftigten existenzbedrohend.
Im Moment zählen für Peter Jeromin aber erst einmal die vielen fleißigen, freiwilligen Helferinnen und Helfer.
Durch die dunkle und schlammverdreckte Tiefgarage
Ortswechsel in die Innenstadt, an die Lenneuferstraße, zum „Betreuten Wohnen“ im Fritz-Berg-Haus. Dort ist das Untergeschoss der Tiefgarage voll gelaufen – und auf dieser Ebene liegen auch die Kellerräume der Bewohner, die alle entweder älter oder gehbehindert, jedenfalls kaum wirklich mobil sind. Auf Initiative von Rene Bröker aus der Freiwilligen Feuerwehr hat sich über einen Aufruf in den sozialen Medien eine ganze Gruppe Freiwilliger gefunden, die die Keller ausräumen: Nachbar, Schützen, Kirchengemeinde – sogar zwei Helfer aus Bremen.
Dabei geht es im Stockdunkeln durch die mit einer Zentimeter dicken Schlammschicht bedeckten Tiefgarage, bis hinten in einer Ecke wieder etwas Licht aus den Kellergängen fällt. Aus den als Drahtboxen gebauten Abstellräumen holen sie alles heraus, was das Wasser zerstört hat: Schränke, Bücher, Bekleidung – Erinnerungen, die die Flut genommen hat, denn das Wasser stand bis zur Decke; nichts ist verschont geblieben.
Die Bewohnerinnen und Bewohner sind an ihren Fenstern zum Zuschauen verdammt.
Die vielen helfenden Hände: Sie geben Hoffnung. Und dazu passt, dass auch Dieter Steinmann die ersten Blumenkästen an der Lenneuferstraße bereits wieder bepflanzt hat. Ja, es gibt wichtigeres. Aber auch die bunten Blumen sind ein ein gutes Zeichen: Eine Stadt gibt nicht auf.