Altena. Sie kommen erst in Fahrt, wenn alles andere nahezu still steht: Baufahrzeuge, Schienenbagger und Bauarbeiter. Seit mehr als einer Woche finden Nachtarbeiten entlang der Bahngleise in Altena statt. Die Ruhr-Sieg-Strecke bekommt eine neue Signaltechnik, gleichzeitig wird die Aufwertung der Altenaer Station vom Haltepunkt zum Bahnhof vorbereitet.

Neue Kabelschächte, neue Signalfundamente, Neubau eines elektronischen Stellwerks an der Bahnhofstraße, vier neue Weichen: Es ist die wohl umfangreichste Investition in die Infrastruktur der Ruhr-Sieg-Strecke in Altena seit Jahrzehnten, die ein Sprecher der Deutschen Bahn (DB Regio NRW) in Düsseldorf gegenüber LOKALSTIMME.DE jetzt auf Nachfrage bestätigte.


Anzeige:

Während die Signaltechnik und das Stellwerk zur Modernisierung innerhalb des so genannten “Schnellläuferprogramms” der DB gehören, ist der Einbau der vier Weichen schon eine Vorarbeit für eine Aufwertung der Station an der Bahnhofstraße: Erst schnöde zum bloßen Haltepunkt degradiert soll die Anlage 2023 offiziell wieder zum Bahnhof werden.

Die umfangreichen Arbeiten sind also nicht die Vorbereitung des Baus der Lärmschutzwand entlang der Gleise, wie sie im November 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. “Die ersten Arbeiten der Lärmschutzmaßnahme finden erst anschließend statt”, ordnet ein Sprecher der DB die Abfolge ein: erst die neue Signaltechnik und die Weichen, dann die Lärmschutzwand. Auch mit dem Weiterbau des Lenneparks, dem Projekt der Stadt Altena, haben die Bauarbeiten nichts zu tun.

Alle Züge über ein einziges Gleis

Alles über ein Gleis. Und zwar Gleis 1. Egal, ob die Züge in Richtung Hagen oder in die entgegengesetzte Richtung, nach Siegen, fahren, egal, ob Güter- oder Personenzug. Die nächtliche Bauarbeiten geben den Takt für den Zugverkehr vor. Begonnen haben die Arbeiten in der Nacht zu Montag (19. April).

Der Bauabschnitt verläuft zunächst auf mehreren hundert Metern zwischen Bahnhof und Einfahrt in den Hünengraben-Tunnel, also ungefähr zwischen Tankstelle und Getränkemarkt an der Bahnhofstraße.

Anblick wie ein Geisterzug

Ein Bagger, der mit vier Reifen sowohl auf festem Gelände wie auch mit vier Rädern auf Schienen fahren kann – Zweiwegebagger heißt das Sonderbaufahrzeug in der Fachsprache -, hebt neben dem Gleis zur Lenneseite hin Erdreich aus, häuft Schotter und Sand auf. Hin und her geht es für das knallgelbe Baugerät, dessen grelle Scheinwerfer das Umfeld seiner Baggerschaufel trotz dunkler Nacht in gleißendes Licht tauchen. Wer das Fahrzeug mit den vielen Scheinwerfern unvermittelt aus der Ferne erblickt, glaubt für einen Augenblick einen Geisterzug auf der Strecke zu entdecken.

Die Anwohner an der Bahnhofstraße, aber auch am gegenüberliegenden Flussufer, am Linscheid und bis ins Mühlendorf, können beim Blick aus dem Fenster die Nachtarbeiten im Wechsel von Licht und Schatten betrachten. Bisweilen sind die Bauarbeiten auch zu hören: wenn Erdreich aus der Baggerschaufel in einen Waggon poltert, Berge von Schotter aufgetürmt werden oder der Schienenbagger schnell Fahrt aufnimmt. Oder wenn eine Mehrtonfanfare durch die Nacht tönt und die Arbeiter vor herannahenden Zügen auf dem anderen Gleis warnt.

Baufeld  ausgeweitet

Im Verlauf der Woche kommen ein zweiter und dritter Schienenbagger hinzu und das Baufeld weitet sich aus: Stellenweise wird auch an der Bahnstrecke gearbeitet, die unterhalb der Lüdenscheider Straße verläuft, teils bis jenseits der Mittleren Brücke.

Noch vor Tagesanbruch ziehen sich die Baufahrzeuge und Bauarbeiter wieder zurück von den Schienen; ihr Lager inklusive Bürocontainer haben sie in Höhe des Getränkemarkts an der Bahnhofstraße, wo das Bahngelänge mehr Platz bietet. Erst dann sind auch wieder beide Gleise freigegeben.

235 Signale und 73 Weichen erneuert

Die Bauarbeiten in Altena sind Teil der Modernisierungsmaßnahme, die zwischen 30 und 50 Jahre alten Stellwerke in Lennestadt-Altenhundem/-Meggen (Kreis Olpe), Plettenberg und Nachrodt/Altena “durch moderne Stellwerkstechnik auf rund 35 Kilometern zu ersetzen”, so ein DB-Sprecher: “Ab Sommer 2022 soll die Steuerung des gesamten Streckenabschnitts der Ruhr-Sieg-Strecke von Iserlohn-Letmathe bis Kreuztal (Kreis Siegen-Wittgenstein) aus dem bereits bestehenden elektronischen Stellwerk (ESTW) Finnentrop, das technisch aufgerüstet wird, erfolgen”.

Teil dieser Modernisierung sind nicht nur die neuen Kabelschächte und -tröge entlang der Gleise: Zwischen Kreuztal und Letmathe “werden 235 Signale und 73 Weichen erneuert. Neun neue Signalausleger werden aufgestellt”, stellt die DB heraus. Und ein neues elektronisches Stellwerk (ESTW-A) in Altena gebaut, das mit dem Stellwerk in Finnentrop (Kreis Olpe) verbunden ist und als Untereinheit arbeitet; von Altena aus wird dann der Streckenabschnitt von Letmathe bis Werdohl betreut, so die DB.

Bis zur Fertigstellung im Sommer nächsten Jahres seien mehrere Bauphasen mit umfangreichen Sperrungen geplant, teil die DB mit. “Um die Auswirkungen auf den Bahnbetrieb so gering wie möglich zu halten, werden die Bauarbeiten nicht nur tagsüber, sondern teilweise auch nachts durchgeführt”, erklärt ein DB-Sprecher. Trotz des Einsatzes modernster Arbeitsgeräte sei Baulärm leider nicht zu vermeiden: “Wir bitten um Verständnis”.

Hintergrund: Intelligente Gleise

  • Deutschlandweit investiert die DB nach eigenen Angaben 500 Millionen Euro in die Modernisierung ihrer Stellwerkstechnik; das Geld stellt der Bund bereit aus dem Konjunkturprogramm zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie.
  • Die Digitalisierung der Schiene schaffe industrielle Arbeitsplätze und stützte die mittelständischen in Deutschland ansässigen Unternehmen. “Die Digitalisierung ist ein Beitrag zur Verkehrswende und zum Klimaschutz. Wer mit der Bahn fährt, reist bereits heute weitgehend CO2-frei”, wirbt die Deutsche Bahn.
  • Mit smarten, digitalen Stellwerken könnten auf selber Strecke mehr Züge eingesetzt werden. Die Digitalisierung revolutioniere “nachhaltigen Bahnverkehr”: kürzere Fahrzeiten, kürzere Wartezeiten, präzise Kundeninformation.
  • Intelligente Gleise gäben Alarm bevor sie kaputtgehen: Ausfälle würden vermieden, der Zugverkehr laufe wie geplant weiter.

Fotos: Carsten Menzel

Teile diesen Beitrag auf: