Altena. Es ist eine Premiere, die hoffentlich Folgen hat: Unter freiem Himmel fand am Freitagnachmittag in der Fußgängerzone die erste Altenaer Ausbildungsmesse statt. „Date your firm“ war der Aufruf an Schülerinnen und Schüler, sich über die Möglichkeiten, eine Ausbildung vor Ort zu machen, zu informieren. „41 Unternehmen und zwei Vereine“ aus Altena und Nachrodt-Wiblingwerde, so Helmar Roder vom unlängst gegründeten Verein Karrierenetzwerk Lenne, hatten Aufstellung genommen und boten sich an – auf der Suche nach Nachwuchskräften.
Die Auslage auf dem dunklen Untergrund glänzt im Tageslicht. Golden, silbern, bronze. Im schnellen Vorbeigehen hätte es ein Verkaufsstand für Schmuckstücke in der Kirchstraße sein können. Ist es aber nicht – obwohl: Andreas Obstfeld aus der Geschäftsführung von Frebel & Obstfeld, dem Hersteller für Präzisionsteile aus Metall, hat durchaus wertvolle Stücke aus der Produktion in der Mühlenrahmede mitgebracht. Da sind filigrane Röhrchen, mit Gewinden oder Anschlussstücken, gebogen oder exakt gerade. „Dreh- und Rohrteile“, erklärt Andreas Obstfeld die Auslage: Die Teile kommen „in der Automotivebranche, etwa in Benzinleitungen, zum Einsatz“, erläutert der Betriebswirt. Oder auch in der Lebensmittelindustrie: in Tüllen, mit denen maschinell die Füllung in Pralinen gelangt. Hergestellt sind sie aus Aluminium, aus Bronze oder Spezial-Edelstählen. Die Metallteile, die Frebel & Obstfeld herstellen und von Altena aus in fast in alle Welt exportieren, sind Anfertigungen, die höchsten Anforderungen entsprechen müssen – und hohe Anforderungen stellen an die, die sie herstellen.
Frebel & Obstfeld ist ein für die heimische Region typischer Mittelständler, der jedes Jahr aufs Neue auf die Suche nach geeigneten Auszubildenden geht; eine Suche, die immer schwieriger wird. Für den kaufmännischen Bereich (Industriekauffrau/-mann) sei das noch „weniger ein Problem“, so Andreas Obstfeld, bei den technischen Berufen aber schon: „Es gibt Bewerbungen, aber die Bewerber unterschätzen häufig die Anforderungen“. Der Metallbe- und -verarbeiter von heute ist mit dem von vor zehn oder 20 Jahren nicht mehr vergleichbar.
500-fache Vergrößerung
„Die Unternehmen schreiben viele Stellen aus – aber es gibt immer weniger Bewerber“, macht Martin Döhler von der Agentur für Arbeit eine zweite Misere deutlich, die als Nachwuchskräftemangel immer konkreter wird. Deshalb auch die Idee, eine Ausbildungsmesse vor Ort und „nur für Firmen, die auch in Altena oder Nachrodt-Wiblingwerde Ausbildungsplätze anbieten“, auf die Beine zu stellen. Und auch noch unter freiem Himmel.
Ein „Aufsicht- oder Stereomikroskop“ hat die Firma Nedschroef aus der Nette an ihrem Stand aufgebaut; es kann winzige Metalloberflächen 25 bis 500 Mal vergrößern. Und wer mag, bekommt auch Informationen von Betroffenen, wie Jan und Julian, beide sind Auszubildende zum Elektriker im ersten Lehrjahr, die ihre Wahl nicht bereuen. „Ich hatte schon in der Schule Spaß an Physik“, sagt Jan. Und Julian hat bereits andere Erfahrungen gesammelt: „Ich bin gelernter Versicherungskaufmann. Aber ich habe gemerkt, dass Büroarbeit nichts für mich ist“. Und so hat er sich für eine zweite Ausbildung entschieden.
Überhaupt sind auch an den Infoständen erfreulich viele junge Menschen als Ansprechpartner zu sehen: „Wir bieten eine Duale Ausbildung an, das heißt, dass man während der Ausbildung ein Mal in der Woche auch zur Schule geht“, erklärt Aydin Albayrak, angehender Betriebselektriker, am Stand der Walzwerke Einsal einem interessierten Vater.
Schokolade zur Belohnung
Am Stand von VDM Metals vom Linscheid ist nicht nur zuhören angesagt, dort können die Messebesucher ihr Geschick unter Beweis stellen: Wer eine Kugel durch die Gänge des „pneumatischen Labyrinths“ an die richtige Stelle rollen lässt, wird von der Maschine mit einer Tafel Schokolade belohnt. Das Spielgerät haben Auszubildende des Spezialstähle-Herstellers eigens für Messeauftritte gebaut.
Den Blick auf verschiedene Ausbildungsberufe macht die Agentur für Arbeit ganz zeitgemäß möglich: mit zwei VR-Brillen, „Virtual Reality“ zeigt die Wirklichkeit der Ausbildung.
Eine erste Resonanz am Nachmittag fällt durchaus positiv aus. „Mit so vielen Nachfragen hätten wir nicht gerechnet“, urteilt Özge Dinc von der Steuerberater-Kanzlei Schröder & Partner vom Linscheid, und Fabian Wundenberg ergänzt: „Ich war auch von den Fragen der Schüler überrascht. Da hat man gemerkt, dass sie sich vorher Gedanken über das Thema gemacht haben.“ Und am Stand des Stahldrahtwerks Lüling sind am Abend sogar direkt zwei Bewerbungsmappen abgegeben worden.
Fördergelder aus Brüssel
„Es stimmt vieles nicht mehr, was verbreitet wird“, hatte Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein bei der Eröffnung der Freiluft-Messe in Höhe des Hotels am Markt als Anspruch ausgegeben: In der Industrie und auch im Handwerk werde „hoch professionell“ gearbeitet und „auch gut bezahlt“, stellte Hollstein heraus und warb zugleich für die Region: „Südwestfalen ist schön und hier lässt es sich gut leben. Das Ruhrgebiet wird häufig falsch eingeschätzt“, ordnete er die Metropolregion vor der Haustür ein. Gemeinsam mit Michael Schlieck, dem stellvertretenden Bürgermeister von Nachrodt-Wiblingwerde, und Elmar Roder vom Karrierenetzwerk hatte Hollstein die Messe eröffnet.
Am Abend gab es dann reichlich Musik als Abschluss. Im Bungern trat das Rapper-Duo „Die Atzen“ und DJ Mola Adebisi auf.
Die Ausbildungsmesse inklusive Musikprogramm ist mit Gelder des „Leader-Programms“ der Europäischen Union gefördert worden.
Text: Carsten Menzel